3. Auszug aus “Vier fürs Klima”: Sag mir was du isst…

Über rülpsende Rinder, Vegetarier und warum man herzlich übers Essen streiten kann

 

Essen Vegetarier klimafreundlicher? Können wir die Flugmango noch kaufen, wenn sie fair und bio angebaut wird? Welcher Apfel ist besser, der Bioapfel aus Neuseeland oder der konventionelle aus Brandenburg? Und wie ist das überhaupt mit dem Essen und dem Klima?

Über kaum ein andere Feld hat unsere Familie (Günther, Petra, Jakob und Franziska) in unserem Jahr als Klimaretter mehr und länger diskutiert als über Nahrungsmittel. Was wahrscheinlich auch daran liegt, dass wir oft beim Essen über das Klima geredet haben. Unsere gemeinsamen Abendessen waren meistens nett, entspannend und verbindend: So ein bisschen Bullerbü eben. Aber wir wissen heute auch: Man kann sich fantastisch übers Essen streiten und es sich gegenseitig vermiesen. Wenn die Ernährung zur Ideologiefrage wird, vor allem die des Anderen und zwar während der isst, dann kann die Sache schnell aus dem Ruder geraten.

Oder wenn ein Gastgeber die Verweigerung eines Nahrungsmittels als Angriff auf die eigene Gastfreundschaft begreift: „Wie, ich hab mir doch solche Mühe mit dem Braten gegeben und jetzt esst ihr nicht? Ihr irren Vegetarier.“ Oder wenn der Gast seine eigenen Essgewohnheiten zur Demonstration nutzt und sich über den Rest der Runde erhebt: „Ich esse Euren Braten nicht. Fleischessen ist unmoralisch.“

Kurz: Wenn Essen mehr ist als Essen, wird es kompliziert. Und das passiert erstaunlich oft.

Wir haben uns als erstes der Fleisch-Frage zugewandt. Nicht etwa, weil wir alle Vegetarier sind. Vegetarisch ernähren sich heute 50 Prozent der Familie, beide Kinder. Aber die wollte es genau wissen: Ist das besser fürs Klima?

»Das Rind muss weg!«, sagt Charlotte, als wir uns auf dem Markt treffen, und das Ausrufezeichen ist dabei deutlich zu hören (nebenher: sie ist keine Vegetarierin). Sie erklärt das so: »Rinder sind einfach unglaublich schlechte Futterverwerter.« Schlimmer noch: »Die sind Wiederkäuer.« Rinder kauen Gras oder Heu, schlucken und so rutscht es zunächst in den Pansen, den ersten von drei Vormägen. Dort wird die Nahrung durch Mikroorganismen zersetzt und dabei entsteht Methan, ein Gas. Das muss dann wieder raus. »Die Kuh steht also auf der Weide oder im Stall und rülpst«, sagt Charlotte. Sie weiß es genau, sie ist Biologin und hat Climate Focus gegründet, ein Beratungsunternehmen, dass sich mit genau solchen Fragen befasst: Wie wirkt der Fleischkonsum der Menschheit auf das Klima?

Ganz ehrlich: Wir mussten grinsen, als wir zum ersten Mal hörten: Rülpsende Kühe gefährden das Weltklima! Aber es stimmt tatsächlich: Mindestens einmal pro Minute rülpst das Vieh und so pustet eine Kuh am Tag bis zu 500 Liter Methangas aus, was etwa 320 Gramm Methangas entspricht. Und da Methan als Klimagas kurzfristig viel schädlicher als CO₂ ist, entspricht die Tagesproduktion einer Kuh in CO₂ umgerechnet bis zu 6,7 Kilogramm. Aufs Jahr hochgerechnet sind das bis zu 2,4 Tonnen – was ungefähr dem entspricht, was ein Mittelklasseauto bei einer jährlichen Fahrleistung von 12.000 Kilometern raushaut.

Also au revoir Boeuf bourguignon, adios Bife de lomo, bye- bye Rib Eye – wird es darauf hinauslaufen?

Sicher ist: So bald werden in Deutschland die Vegetarier nicht zur Mehrheit werden. Laut Fleischatlas der Böll-Stifung und des BUND isst ein Deutscher in seinem Leben durchschnittlich 1.094 (!) Tiere: Vier Rinder, vier Schafe, zwölf Gänse, 46 Schweine, 46 Puten und 945 Hühner. »85 Prozent der Bevölkerung essen täglich oder nahezu täglich Fleisch oder Wurst«, heißt es dort. » Auch im Restaurant wird in der Regel ein Fleischgericht bestellt. Die Deutschen essen heute viermal so viel Fleisch wie Mitte des 19. Jahrhundert.«

»Wenn Fleisch, dann Schwein oder Huhn«, sagt Charlotte. »Jedenfalls unter Klimaaspekten.« Die Zahlen geben ihr recht: Geflügel und Schwein kommen bei der biologischen Aufzucht auf etwa drei Kilogramm CO₂ pro Kilogramm Fleisch. Beim Rind hingegen fallen pro Kilo Fleisch mindestens elf Kilogramm CO₂ an. Eines ist aber auch sicher: An die positive Klimabilanz von Vegetariern kommen Fleischesser bei weitem nicht heran. (Wobei bei denen die Flugmango und die Trauben aus Südamerika am besten vom Speiseplan verschwinden oder jedenfalls nicht täglich genossen werden.)

Die Kinder frohlocken über diese Nachrichten, die Eltern grummeln. Zwar hat sich auch ihr Fleischkonsum in diesem Jahr massiv reduziert, schon weil es das Kochen für alle Vier leichter macht. Aber komplett auf den Braten verzichten?

Eines Abends im späten Februar kommt Petra nach Hause und schwärmt, sie habe zu Mittag einen wunderbaren Tafelspitz gegessen. »Wenn es so kalt draußen ist, dann schmeckt so ein Gericht echt toll!«

»Was ist Tafelspitz?« fragt Jakob. Er ist jetzt schon so lange Vegetarier, dass er bestimmte Gerichte einfach nicht kennt. »Wunderbar weich gekochtes Rindfleisch.« Jakob guckt. Nicht angewidert wie sonst manchmal. Er weiß jetzt, wie er besser trifft. Er sagt zu seiner Mutter: »Klimasünderin!« Und grinst breit.

Servus Tafelspitz – ja die Kuh, sie frisst, kaut und rülpst. Petra hat ein schlechtes Gewissen, weil sie trotz alledem ein Stück Rindfleisch essen würde, manchmal wenigstens.

 

Glücklicherweise hat Günther die Lösung. Ein paar Tage später liegt die im Kühlschrank und badet in Rotwein. Zwei Tage, und dann in die Bratröhre: Wildschweinbraten. Von den Viechern gibt es eh viel zu viele – so viele, dass man beim Joggen und Radfahren im Grunewald schon aufpassen muss. Und bio sind sie auch.

 

 

Petra Pinzler und Günther Wessel sind Journalisten und leben in Berlin. Petra arbeitet in der Hauptstadtredaktion der ZEIT, Günther freiberuflich überwiegend für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Zusammen haben sie über ihre familiären Erfahrungen als CO₂-Sparer das Buch „Vier fürs Klima“ veröffentlicht.

Sie werden in den nächsten Monaten hier immer wieder über ihre Erfahrungen berichten und freuen sich über Kritik, Anregungen und Ideen.

 

Vier fürs Klima Cover

Vier fürs Klima. Wie unsere Familie versucht, CO2-neutral zu leben.

Gastbeitrag von Günther Wessel: Wie ich die „Gunst des Verschlafens“ kennen lernte…

Von vermeidlicher Alpen-Idylle und: Wie ich die „Gunst des Verschlafens“ kennen lernte…

Schneebedeckte Gipfel, blühende offene Weiden, aus groben Balken gezimmerte Almhütten, dichte Wälder und Ortskerne mit kleinen Kirchen und Häusern, die mit blumengeschmückten hölzernen Balkonen verziert sind. Gute Luft, Ruhe und viel Platz – um durchzuatmen, zu wandern, zu faulenzen. Und Abends ein kühles Bier, Knödel und was die Küche sonst noch so hergibt genießen. Damit wirbt das Zillertal im Herzen Tirols.

Mit diesem malerischen Bild im Kopf fahre ich im Frühjahr aus Berlin Richtung Süden. Der Rest meiner 4fürsKlima-Familie muss zu Haus bleiben. Ich fahre mit dem Auto (und mit einem schlechten Gewissen, aber für meine Radiorecherche über den Alpentourismus geht es einfach nicht anders. Ich habe alle Varianten probiert, aber mit öffentlichem Verkehr würde ich nicht dorthin kommen, wo hin ich muß.)

Den ersten Bruch mit meinem Bild der Alpen-Idylle erlebe ich, als ich die Inntal-Autobahn, die von Kufstein nach Innsbruck führt, bei Wiesing verlasse. Dort beginnt die Bundesstraße 169 und ich stehe im Stau! Fast immer staut es sich hier, im Sommer mehr noch als sonst. Die Straße führt nach Süden, ein kurzes Stück durch Wiesen und Wald, dann folgen rechter Hand eine Tankstelle, das „Restaurant“ einer bekannten Fast-Food-Kette und sofort dahinter ein großer, zweistöckiger Pavillon: „Zillertal.at“, die Zentrale der Zillertal Tourismus GmbH, die den Fremdenverkehr im Zillertal entwickelt und vermarktet. Mit deren Chef bin ich verabredet, denn ich möchte etwas über naturnahen Tourismus lernen – für einen Radiobeitrag.

„In den letzten zehn Jahren“, sagt Geschäftsführer Gernot Paesold voller Stolz, „haben wir unsere Besucherzahlen auf 7,4 Millionen Übernachtungen im Jahresschnitt gesteigert“. Das sind fast 21.000 Übernachtungen am Tag. Trotz dieser enormen Zahlen liegt die Auslastung der Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen im Sommer nur bei knapp 30, im Winter bei knapp 50 Prozent, und auch die Verweildauer der Urlauber beträgt durchschnittlich gerade mal 5,3 Tage. Es könnten also, rein von der Bettenkapazität gedacht, noch viel, viel mehr Leute kommen. Damit das passiert, investieren die Gemeinden immer mehr: In Infrastruktur, in Wanderwege, Klettersteige, Mountain-Bike-Parcours, Kulturveranstaltungen. In Abenteuerspielplätze am Berg, Greifvogelstationen, Bergbahnen, Golfplätze, Klettersteige, Hochseilgärten oder Sommerrodelbahnen. Das alles, so die Hoffnung, bringt noch mehr Besucher, mehr Jobs, mehr Geld.

Werner Bätzing lässt das hingegen gruseln. Bätzing war Professor für Kulturgeograhie, er beschäftigt sich seit 40 Jahren mit den Problemen des Alpenraum. Er spricht von einer künstlichen Freizeitwelt und einem permanenten Wettbewerb unter den Gemeinden. Die Alpen selbst – so sein Fazit – lerne man da überhaupt nicht kennen. Die würden im Gegenteil durch diese Art von Tourismus zerstört.

Er empfiehlt für einen naturnahen Urlaub eine Reise nach Ramsau. Auch das ist eine Gemeinde, die vom Alpen-Tourismus lebt: Ramsau im Nationalpark Berchtesgaden, ein Dorf am Fuße des Watzmanns, durchflossen von der milchig weiß-bläulichen, brausenden Ramsauer Ache. Trotz der Abhängigkeit vom Tourismus, hat sich Ramsau entschieden, aus dem Affenrennen des „Immer mehr, immer schneller, immer weiter“ auszusteigen: Es wurde im September 2015 ein sogenanntes Bergsteigerdorf, das erste in Deutschland.

Bergsteigerdörfer wurden vom Österreichischen Alpenverein erfunden, und 2014 wurde das Konzept dann vom Deutschen Alpenverein übernommen. Der zeichnet Dörfer, bislang sind es drei, als solche aus, wenn diese verschiedene Kriterien wie ein traditionelles Ortsbild und mehr als ein Drittel Naturschutzfläche im Gemeindegebiet erfüllen und sich verpflichten, sich in Zukunft auch noch stärker mit den Fragen der Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Und deshalb gibt es in Ramsau auch keine Sommerrodelbahn, keine großen Events, keinen Lift auf den Watzmann oder andere Gipfel, keine Ansiedlungsflächen für neue Hotels.

Dafür viele bietet Ramsau viele Kilometer einsamer Wanderwege und das Berg-Kultur-Büro im historischen Mesnerhaus direkt neben dem Kirchhof im Herzen des Ortes, das im April 2017 eröffnet wurde. Gegründet hat es Jens Badura, Philosoph, Hochschullehrer, Bergretter und -führer, Kulturmanager und Kunstvermittler, der sich mit alpiner Kultur und Lebensweise beschäftigt – und auch mit dem Tourismus. Er sagt über Ramsau: „Es gibt so eine Gunst des Verschlafens.“ Man habe einfach bis 1990er Jahre nicht mitgemacht: Bei der Modernisierung, beim Ausbau oder Neubau. Und das sei heute ein großes Plus. Denn hier geben es: Ruhe, Platz und gute Luft. Und was, so fragt er, braucht man eigentlich noch, um im Urlaub runter zu kommen?

Geht es nach dem Ramsauer Bürgermeister Herbert Gschoßmann dann wird es in Ramsau auch so bleiben. Er will zwar nicht sagen, dass der Weg, den andere Gemeinden im Tourismusausbau gehen, falsch sei. „Aber“, sagt er, „wenn man so einen Weg einmal einschlägt, dann glaube ich, gibt es irgendwann kein Zurück mehr, man ist auf diesem Weg gefangen, und da gibt es dann nur eines: Weiter, weiter! Denn wenn man da den Anschluss verliert, dann ist man wirklich im Niemandsland.“ Man sei somit Gefangener der eigenen Strategie. Und die Natur, wegen der Leute eigentlich kommen, die bleibt dabei irgendwann auf der Strecke.

Wir werden in diesem Jahr in den Sommerferien nicht in die Alpen fahren, sondern mit dem Rad aus Berlin irgendwo hin. Aber irgendwann, da bin ich mir sicher, geht es nach Ramsau. Wandern. Und die Anreise, die machen wir dann per Zug.

Günther Wessel

 

 

Petra Pinzler und Günther Wessel sind Journalisten und leben in Berlin. Petra arbeitet in der Hauptstadtredaktion der ZEIT, Günther freiberuflich überwiegend für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Zusammen haben sie über ihre familiären Erfahrungen als CO2-Sparer das Buch „Vier fürs Klima“ veröffentlicht.

Sie werden in den nächsten Monaten hier immer wieder über ihre Erfahrungen berichten und freuen sich über Kritik, Anregungen und Ideen.

 

Vier fürs Klima Cover

Vier fürs Klima. Wie unsere Familie versucht, CO2-neutral zu leben.

2. Auszug aus “Vier fürs Klima”: Wenn der Energieberater klingelt…

Energiesparen war unser erstes Ziel. Ein paar Lösungen fielen uns auch sofort ein. Den Lichtschalter häufiger als bisher betätigen, den Standby-Betrieb der Glotze ausschalten. Günther stellte den Kühlschrank von vier auf sieben Grad Celsius hoch.

Was noch?, fragten wir uns.

 

Günther rief die Verbraucherzentrale an. Die bietet Energieberatung an – kostet 20 gut investierte Euro. In Wirklichkeit natürlich mehr, nämlich 226,10 Euro, aber das Bundeswirtschaftsministerium bezahlt den Rest.

An einem Mittwochvormittag steht Karl-Heinz Dubrow vor der Tür. Er trägt einen Computer unter dem Arm und eine Mappe voller Broschüren und sagt: „Dann wollen wir mal.“ Und: Dass er gleich das Haus sehen wolle, alles protokollieren würde und wir dann eine Woche später einen Bericht bekämen. „Die zwanzig Euro müssen Sie mir gleich bar geben“, sagt er und dass das ein guter Preis sei. Dann öffnet er seinen Computer. Und fragt. Viele Fragen.

 

Wie alt der Kühlschrank?

Schalten Sie den Fernseher ab oder läuft der immer auf Stand-by?

Mit welchem Programm spült die Maschine das Geschirr?

Er will noch viel mehr wissen, die Stromrechnung sehen und die für die Fernwärme. Alle Antworten tippt er ein. Und als Günther stolz erzählt, dass er den Kühlschrank kürzlich von vier auf sieben Grad Temperatur hochgestellt hat, sagt er sogar: „Super! Klasse!“

 

Wir führen Herrn Dubrow nun durchs ganze Haus, zeigen die Kinderzimmer, Günthers Arbeitsklause, die Küche, wo die Stromfresser lauern: Der Herd, der Kühlschrank – eine Kühl-Gefrier-Kombi, immerhin A++, die Spülmaschine (A++), der Wasserkocher (2000 Watt, damit es morgens schnell geht). „Die Spülmaschine hat einen Energiesparmodus. Nutzen Sie den!“, sagt Herr Dubrow streng. „Auch wenn es Ihnen komisch vorkommt, weil sie damit länger als mit dem normalen Spülprogramm braucht. Und laden Sie die immer schön voll. Am besten alles rein in die Maschine.“ Zum Radio, zur Mikrowelle, zum Mixer und dem anderen Kleinkram in der Küche sagt Herr Dubrow nichts. Das scheint nicht besonders relevant zu sein.

 

Im Wohnzimmer stehen ein Fernseher, ein CD-Player, ein Radio, ein Verstärker und ein Plattenspieler. Überall Lampen – „Hier gibt es Einsparmöglichkeiten durch LEDs!“. Weiter ins Bad, zum Föhn und der elektrischen Zahnbürste. Alles nichts Besonderes.

 

Bislang alles reine Routine für Herrn Dubrow. Er notiert, guckt, notiert. Doch im Keller wird er plötzlich ganz aufmerksam – als er den Wäschetrockner sieht: „Aber den benutzen wir doch gar nicht“, sagt Petra. Angeschafft für eine andere Wohnung und selten benutzt, ist er hier einfach überflüssig. Denn da wir mit Fernwärme heizen und daher große, Wärme abgebende Rohre durch unseren Keller laufen, ist dieser immer trocken und warm: Die Wäsche kann hier auch ohne Trockner gut trocknen.

 

Die Waschmaschine scheint okay zu sein, obwohl wir sie schon seit Mitte 2003 besitzen. Damals war sie energietechnisch gesehen der letzte Schrei: Verbrauchsklasse A, besser ging nicht. Heute schon. Aber das scheint Herrn Dubrow nicht besonders zu stören. „Wie heiß waschen Sie?“ will er nur wissen. „Meistens 40 Grad, ganz selten 60 Grad, manchmal kalt“, antwortet Günther, was Herr Dubrow mit einem beifälligen Nicken quittiert. „Nie Vorwaschen!“, sagt er streng. „Und auch mal auf 30 Grad .“ Günther nickt brav. „Schleudern? Wie viel Umdrehungen?“ „1600“, sagt Günther. „Warum? Sie nutzen den Trockner doch gar nicht? Dann können Sie doch auch weniger schnell schleudern.“

Kritisch guckt Herr Dubrow auf unsere Heizpumpe. Petra erinnert sich sofort an den Satz ihres ehemaligen Lieblingskollegen: „Wenn die Männer mit ihren Heizpumpen so angeben würden, wie mit ihren Autos, dann wäre die Energiewende schon fast geschafft.“ Unser Energieberater erklärt, dass die Heizpumpe jedes Mal anspringt, wenn das warme Wasser aufgedreht oder die Heizung benutzt wird. „Dieses Ding braucht zu viel. Da gibt es bessere“, sagt er. Damit summiere sich ein unnötiger Stromverbrauch.

 

Dann sieht Herr Dubrow einen wirklich unnötigen Stromfresser: Den zweiten Kühlschrank. Der ist immerhin A+ zertifiziert. Wir brauchen ihn, damit wir mit einem wöchentlichen Großeinkauf für die Familie hinkommen. Denken wir. Aber brauchen wir ihn wirklich?

Petra: „Ja!“

Günther: „Nein!“

„Doch, sicher.“

„Sicher?“

„Vielleicht!“

„Vielleicht auch nicht.“

Herr Dubrow äußert sich dazu nicht. Man muss sich ja nicht zwischen die Fronten stellen.

 

„Und?“ wollen wir wissen, als wir endlich wieder in der Küche sind.

„Sie besitzen nicht den einen großen Stromfresser“, sagt Herr Dubrow. Den würde er oft in Mietwohnungen sehen – zum Beispiel alte, elektrische Warmwasseraufbereiter, die jede Dusche teuer machten. Weil der Vermieter nichts Neues einbauen will und die Mieter es sich selbst nicht leisten könnten. Soviel zur Klimagerechtigkeit.

 

Zum Abschied fasst Herr Dubrow er noch einmal zusammen: Unser Problem sind viele kleine Stromfresser. Bei denen ließe sich vor allem durch ein bisschen verändertes Verhalten Energie und damit Geld sparen: Lichter löschen, keine Geräte mehr auf Stand-by laufen lassen.

„Und so was lohnt sich wirklich?“ fragt Petra zweifelnd.

„Ja, da lässt sich was rausholen“, sagt Karl-Heinz Dubrow und dass seine Analyse kommende Woche mit der Post käme.

 

Fazit: Dank der Tipps von Herrn Dubrow konnten wir unseren Stromverbrauch insgesamt um gut 20 Prozent senken. Und auf 25 Prozent kämen wir bei etwas erhöhter Selbstdisziplin.

 

 

Petra Pinzler und Günther Wessel sind Journalisten und leben in Berlin. Petra arbeitet in der Hauptstadtredaktion der ZEIT, Günther freiberuflich überwiegend für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Zusammen haben sie über ihre familiären Erfahrungen als CO2-Sparer das Buch „Vier fürs Klima“ veröffentlicht.

Sie werden in den nächsten Monaten hier immer wieder über ihre Erfahrungen berichten und freuen sich über Kritik, Anregungen und Ideen.

 

Vier fürs Klima Cover

Vier fürs Klima. Wie unsere Familie versucht, CO2-neutral zu leben.
https://www.droemer-knaur.de/buch/9559442/vier-fuers-klima

Vier fürs Klima – Auftritt auf der Leipziger Buchmesse 2018

Unsere “Klimahelden” Günther Wessel, Petra Pinzler und deren Tochter Franziska Wessel waren auf dem blauen Sofa auf der Leipziger Buchmesse und wurden zu ihrem Buch “Vier fürs Klima” interviewt.

Den ZDF-Mitschnitt vom 17.03.2018 können Sie hier nachschauenhttps://www.zdf.de/kultur/das-blaue-sofa/pinzler-wessel-blaues-sofa-17-03-2018-100.html

Video verfügbar bis 17.03.2019, 23:59

 

Vier fürs Klima – Wie alles begann…

Liebe Mitstreiter,

dass wir es genau wissen wollten, lag an keiner Klimakonferenz, auch nicht an den Fotos von Eisbären auf schmelzenden Schollen, sondern an unserer Tochter Franziska. Und an deren Schule.

Denn unsere damals zwölfjährige Tochter kam eines Tages von dort nach Hause, setzte sich – wie sie es oft tat – vor den Computer und guckte – weder Pferde- noch Musikvideo. Sie öffnete stattdessen eine andere Webseite: den Klimabilanzrechner der Umweltorganisation WWF. „Wir hatten im Ethik-Unterricht viel übers Klima gesprochen und sollten dann als Hausaufgabe unseren persönlichen Klima-Fußabdruck nachprüfen.“

Gemeinsam mit ihrem Vater füllte Franziska den Fragebogen aus – und das Ergebnis war ziemlich niederschmetternd: Unsere Familie war, so das Ergebnis in aller Kürze, durch unsere Art zu leben, für 42 Tonnen CO2 im Jahr verantwortlich. Das war zwar knapp besser als der deutsche Durchschnitt (11 Tonnen pro Person), aber immer noch viel zu viel. Denn es bedeutet, dass wir ganz persönlich, zur Klimakatastrophe beitragen. Dabei hatten wir uns für ziemlich umweltbewusst gehalten.

Franziska schockierte das Ergebnis. Ihr war bisher nicht klar gewesen, dass ihr ganz persönliches Verhalten eine so durchschlagende Wirkung auf die Umwelt haben kann. Der Vater, Günther, wusste es zwar, aber zwischen Wissen und Tun liegen oft Gräben – und zwar solche von der Größenordnung des Ärmelkanals.

Dann tröstete sich die beiden: Sie hatten den Klimarechner nicht so ganz ernst genommen, hatten viele Antworten über den Daumen gepeilt. Beispielsweise Kilometer, die die Familie mit dem Auto fährt. „Wir haben 13000 im Jahr geschrieben, ich glaube aber, dass es nur 12000 sind“, sagte Günther später. „Und bei der Hausgröße und dem Einkaufen haben wir, glaube ich auch zu viel angegeben.“ Was man so sagt, wenn man das Ergebnis ein bisschen peinlich findet.

Bizarrerweise beruhigte die beiden auch, dass die Ergebnisse bei Franziskas Freundinnen und Freunden in der Klasse häufig schlechter waren. Was fürs Weltklima übel ist, war für uns schön. So konnten wir unsere Hände in gefühlter Unschuld waschen: An uns lag es weniger, die anderen waren schlimmer, im Zweifel tragen sie mehr Schuld an der Klimakatastrophe. Da war die Familie fein raus, uff!

Dass das nicht ganz stimmte – klar wussten wir das.

Wir sind eine vierköpfige Familie: Petra, Günther, der 17jährige Jakob, die heute 14jährige Franziska. Oft essen wir abends gemeinsam und reden dann über den Tag, die Schule, das Leben. Mal mehr, mal weniger engagiert, je nach Thema. Durch Franziska stand plötzlich das Thema „familiäre Ökobilanz“ weit oben. So wie jetzt auch für viele von Ihnen.

Und so warfen wir uns beim Abendessen viel Halbwissen um die Ohren und dachten laut nach: Kann eine vierköpfige Familie in Deutschland so leben, dass es dem Klima nicht schadet? Was müssten wir, Petra, Günther, Jakob und Franziska dafür ändern? Jakob ist strikter Vegetarier. Isst er  besser, rein klimatechnisch? Wie sieht es mit dem Urlaub aus: Sind die Alpen und Griechenland noch erlaubt?

Das Gespräch schwankte zwischen Ratlosigkeit, Relativieren, guten Vorsätzen, schlechtem Gewissen und Seufzen. Als die Teller in die Spülmaschine wanderte, waren wir bereit für die letzte Stufe: das Verdrängen. Plötzlich aber sagte Jakob: „Ich will es wissen. Was könnten wir tun, ohne dass es albern wird?“ Und damit stand die Idee im Raum: Wir versuchen uns als Klimaretter. Wir werden unser Leben ungeschminkt angucken, zwölf Monate lang prüfen: Wo wir nur scheinbar grün leben, aber in Wirklichkeit lächerliche Dinge tun. Was wir ändern können. Und welche Fallen es gibt.

Vorab: Wir sind erheblich klüger geworden. Wir haben einiges über uns gelernt, uns gegenseitig genervt, heftig gestritten und erstaunlich viel gelacht. Unser Optimismus ist gewachsen, wir haben Menschen getroffen, die voller Energie versuchen, die Welt ein bisschen zu verändern. Die uns geholfen haben, wenn die Sache zu kompliziert wurde, wenn wir uns zu verlieren drohten, zwischen all den Umweltprodukten, Webseiten, den tausend großen und kleine Verhaltenstipps und schon kurz davor waren, das Projekt aufzugeben. Wir lernten, dass es unterhalb der ganz großen Lösung auch sinnvolle kleine gibt, dass es nicht langt, nur von der Politik zu verlangen, sie solle sich bewegen, sondern dass man sich auch selbst ein Stück weit bewegen kann, aber auch, dass wir uns politisch stärker einmischen müssen.

Ach ja, das Ergebnis: Fast 31 Prozent Einsparung. 29 Tonnen CO2, 13 Tonnen weniger als im Vorjahr. Wie das möglich wurde, wo die Fallen lagen und was unser Erfolgsrezept war – dazu mehr im nächsten Blog.

 

 

Petra Pinzler und Günther Wessel sind Journalisten und leben in Berlin. Petra arbeitet in der Hauptstadtredaktion der ZEIT, Günther freiberuflich überwiegend für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Zusammen haben sie über ihre familiären Erfahrungen als CO2-Sparer das Buch „Vier fürs Klima“ veröffentlicht.

Sie werden in den nächsten Monaten hier immer wieder über ihre Erfahrungen berichten und freuen sich über Kritik, Anregungen und Ideen.

 

Vier fürs Klima Cover

Vier fürs Klima. Wie unsere Familie versucht, CO2-neutral zu leben.
https://www.droemer-knaur.de/buch/9559442/vier-fuers-klima