UN-Klimagipfel einigt sich auf Regelwerk – jetzt muss gehandelt werden: Führende Forscher bei COP24 warnen vor “Heißzeit”

Das beim UN-Klimagipfel in Katowice vereinbarte Regelwerk ist “eine Erleichterung”, so erklären die Direktoren des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Dringend nötig wäre aber nun, den Ausstoß von Treibhausgasen stärker zu verringern – und hierbei haben die fast 200 bei COP24 versammelten Staaten versagt, sagen Johan Rockström und Ottmar Edenhofer. Bislang steuern die Regierungen den Planeten weiter in Richtung einer Heißzeit. Hierzu haben führende PIK-Forscher, darunter der Direktor Emeritus Hans Joachim Schellnhuber, unlängst eine wissenschaftliche Studie vorgelegt. Der in diesem Zusammenhang geprägte Begriff der Heißzeit wurde nun in Deutschland zum “Wort des Jahres 2018” gewählt. Vielleicht ist die gleichnamige PIK-Studie nicht ganz unschuldig an diesem Wahlergebnis.

“Das Ergebnis von Katowice ist eine Erleichterung. Die Staaten der Welt erkennen an, dass sie zusammenarbeiten müssen, um die Klimakrise anzupacken”, so Johan Rockström, der zusammen mit Ottmar Edenhofer das PIK leitet. “Das Paris-Abkommen für globale Klimapolitik erweist sich als quicklebendig, trotz einer Zunahme von Nationalismus und Populismus. Mit dem jetzt endlich beschlossenen Regelbuch kann das Paris-Abkommen wirklich umgesetzt werden. Meine größte Sorge ist, dass der UN-Klimagipfel in Katowice es nicht vermocht hat, die Klimapolitik so zu gestalten, dass sie die von der Wissenschaft klar aufgezeigten Klimarisken jetzt tatsächlich wirkungsvoll begrenzt – vor allem haben sie versäumt, klar zu machen, dass die globalen Emissionen aus fossilen Brennstoffen bis 2030 halbiert werden müssen, wenn man dem 1,5-Grad-Report des Weltklimarats folgen will.”

“Das ist ein echtes Problem”, betont Rockström. “Wir folgen weiterhin einem Weg, der uns noch innerhalb dieses Jahrhundert in eine sehr gefährliche, drei bis vier Grad wärmere Welt führen wird. Extreme Wetterereignisse treffen bereits heute Menschen auf der ganzen Welt, mit einer globalen Erwärmung von nur einem Grad. Vor allem die USA werden hart getroffen; ausgerechnet jene Nation, die beim Klimagipfel eine unglückliche Rolle gespielt hat. Die USA leiden bedauerlicherweise bereits jetzt, und werden in Zukunft noch mehr leiden, etwa unter einer Zunahme regionaler Dürren und Hurrikane. Der Gipfel in Katowice ist jedoch nur ein Schritt auf dem langen und kurvenreichen Weg hin zu nachhaltigem Wohlstand in einer Zukunft ohne fossile Brennstoffe. Wir alle müssen jetzt aufhören, herum zu trippeln; wir müssen unsere Schritte beschleunigen. Und Europa kann und muss sich dabei an die Spitze stellen.”

Regierungen können CO2-Preise nutzen, um soziale Gerechtigkeit zu verbessern

Der Klima-Ökonom Ottmar Edenhofer, der mit Johan Rockström zusammen als Direktor das PIK leitet, hat sich in Katowice – wie das internationale Magazin “Economist” es formulierte – mit politischen Entscheidern den Mund fusselig geredet, um die Risiken eines Scheiterns aufzuzeigen. “Einmal mehr haben Regierungen aus aller Welt bewiesen, dass sie fähig und willens sind, zum Schutz ihrer Bürger vor Klimarisiken zusammen zu arbeiten“, sagte Edenhofer nach Ende des Gipfels. “Trotz einer zunehmenden Menge von populistischen Regierungen hat der Multilateralismus gesiegt. Die Welt braucht aber mehr als nur klimapolitische Ziele und Prozesse – sie braucht konkrete Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgase; und sie braucht diese Maßnahmen nicht irgendwann, sondern jetzt.”

“In dieser Hinsicht kann der Klimawandel nicht mehr nur als das größte Marktversagen aller Zeiten angesehen werden – er ist mit dem trotz jahrelanger Verhandlungen weiter zu beobachtenden Anstieg der globalen Treibhausgasemissionen auch zu einem beispiellosen Staatsversagen geworden”, sagte Edenhofer der auch Direktor des “Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change” ist. “Durch geeignete politische Maßnahmen – wie eine wirkungsvolle Bepreisung von CO2 – müssen Regierungen eine neue Vertrauensbeziehung mit ihren Bürgern aufbauen. Ein  CO2-Preis kann nicht alles lösen, aber ohne ihn kann nichts gelöst werden. Und die Regierungen können die CO2-Preise nutzen, um mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Denn das durch die Bepreisung erzielte Einkommen kann und muss den Menschen zurückgegeben werden – sei es durch Senkungen der Stromsteuer, durch Investitionen in Infrastruktur, oder durch Schecks zu Weihnachten.“

Feindliche Übernahme – Greenpeace Energy möchte Braunkohletagebau kaufen

(Bild: Bagger im Braunkohletagebau im Gebiet Garzweiler; Foto: copyright (c) Bernd Lauter/Greenpeace)

Greenpeace Energy hat RWE angeboten, die Braunkohle-Tagebaue und -Kraftwerke des RWE-Konzerns im Rheinischen Revier ab 2020 stufenweise zu übernehmen und diese bis 2025 stillzulegen. Im Gegenzug sollen auf den freiwerdenden Flächen Windkraft- und Photovoltaikanlagen entstehen – ein kluger Schachzug, zur richtigen Zeit.

Hintergrund

Erst im Juni dieses Jahres gab die Bundesregierung bekannt, Deutschland werde seine Klimaziele 2020 nicht erreichen, also die Senkung des CO2-Ausstoß um 40% gemessen an 1990. Gerade mal 32% könnten derzeit erzielt werden. Begründet wird diese Verfehlung mit höherem Bevölkerungswachstum, einer stärkeren Konjunktur und den weiter steigenden Emissionen im Verkehrssektor.

Eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (Fraunhofer IEE) im Auftrag von Greenpeace bescheinigt der Bundesregierung fehlenden politischen Willen. Zwar bezieht sich die Studie nur auf die Stromwirtschaft und lässt wichtige Sektoren wie Gebäudewärme, Industrie und Verkehr außen vor, dennoch liefern die Ergebnisse eine Steilvorlage für die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, kurz Kohlekommission. Laut dieser Studie sei das Erreichen des Klimaziels 2020 auch ohne Ausfälle und Netzengpässe problemlos möglich, wenn die ältesten Kohlekraftwerke abgeschaltet würden, andere ihre Leistung drosseln würden und die Wind- und Solarenergie weiter ausgebaut würde – so wie es im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist.

Eine breite Mehrheit in der Gesellschaft stützt die gesteckten Klimaziele und wünscht sich konsequenteres politisches Handeln. Laut einer repräsentativen Emnid-Umfrage im Auftrag von Campact stimmten 74 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass die Bundesregierung so viele Kohlekraftwerke abschalten soll, dass das Klimaziel für 2020 noch erreicht werde. Auch bei den Auseinandersetzungen um die Räumung des Hambacher Waldes im rheinischen Braunkohlerevier sowie auf zahlreichen Antikohledemonstrationen und beeindruckenden Aktionen des zivilen Ungehorsams offenbart sich ein sehr breites und entschlossenes Bündnis der Zivilgesellschaft, welches sich für einen klimafreundlichen Umbau unseres Energie- und Wirtschaftssystems einsetzt.

(Bild: Der Massenprotest pausiert erstmal, doch die zivilgesellschaftliche Entschlossenheit für einen Wandel Richtung Nachhaltigkeit bleibt bestehen; Foto: copyright (c) Kristoffer Schwetje)

Leider hat die „Kohlekommission“ ihren Abschlussbericht auf Februar 2019 verschoben, so kann die Bundesregierung in Kattowitz in Sachen Kohleausstieg auch kein Ergebnis vorlegen. Aber vielleicht nimmt die internationale Staatengemeinschaft ja anerkennend zur Kenntnis, dass sich auf zivilgesellschaftlicher Ebene in Deutschland doch einiges tut.

Braunkohletagebaue als grüne Entwicklungsräume – Ein radikaler Gegenentwurf

In diesem Zusammenhang stellt das aufsehenerregende „Bürgerenergie-Konzept“ von „Greenpeace Energy“ – einem KliB-Projektpartner – einen fast revolutionär anmutenden Plan dar. Die Energiegenossenschaft möchte alle Braunkohletagebaue und -kraftwerke von RWE im Rheinischen Revier in drei Stufen übernehmen und bis 2025 stilllegen. Zunächst sollen noch im Jahr 2020 der Tagebau Hambach sowie die sechs ältesten und am wenigsten effizienten Kraftwerksblöcke stillgelegt werden. In den folgenden zwei Jahren soll auch der Tagebau Inden und sechs weitere Kraftwerksblöcke abgeschaltet werden, um dann bis 2025 auch Garzweiler und die letzten drei Blöcke abzuwickeln. Unterfüttert mit einer Reihe wissenschaftlicher Studien beinhaltet das Konzept einen umfassenden Plan für einen grundlegenden Strukturwandel in der Region vor, in dem alle wichtigen Kernthemen und Konfliktlinien angesprochen werden.

Eine Betreibergenossenschaft soll die Umsetzung des Bürgerenergie-Konzepts sowie die Errichtung von Windkraft- und Photovoltaikanlagen auf allen ehemaligen Tagebauflächen koordinieren. Die Flächen für die Entwicklung der neuen Energielandschaften sollen von einer kommunalen Flächengesellschaft verwaltet und an die Betreibergenossenschaft verpachtet werden. In dieser Flächengesellschaft sind alle Grundeigentümer*innen organisiert. Eine Beschäftigungsgesellschaft soll die ehemaligen Mitarbeiter*innen unter Vertrag nehmen, die aus der RWE-Braunkohlesparte ausscheiden. Durch die Beschäftigungsgesellschaft werden die neu entstehenden Aufgaben für die umfassende Regionalentwicklung gebündelt und für einen sozial gerechten Ausgleich genossenschaftlich verwaltet. Dazu zählen die Renaturierung der Tagebauflächen, der Kraftwerksrückbau sowie die Weiterqualifizierung in der erneuerbaren Energiensparte und anderen Branchen, wie Zulieferung, Produktion und Verwaltung. Die Mittel für diese Beschäftigungsgesellschaft sollen aus einem öffentlichen Strukturfonds fließen, der auch durch die Kohlekommission vorgeschlagen wird. Dabei ist noch auszuhandeln, inwieweit sich RWE finanziell beteiligen muss.

Ausgehend von einem business-as-usual Szenarium wird die Stromerzeugung aus der rheinischen Braunkohle von 64 Terawattstunden in 2018 auf 15 Terawattstunden in 2032 sinken. Diese Menge entspricht der Menge, die das Konzept für 2030 an Zubau durch Windkraft und Photovoltaikanlagen veranschlagt – insgesamt also eine durchschnittliche jährliche Stromproduktion von 15,3 Terawattstunden. Dabei wird keine Vergütung gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz in Anspruch genommen, d. h. die Anlagen werden zusätzlich zu den im EEG vorgesehenen Ausbaumengen errichtet.

Das mit Abstand größte Erneuerbare-Energien-Projekt Europas soll nach Berechnungen von Greenpeace Energy insgesamt rund sieben Milliarden Euro kosten. Aufgrund der Skaleneffekte werden auch ohne Vergütung durch EEG-Prämien Renditen zwischen fünf und sieben Prozent erwartet. Eine Studie des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) kommt zu dem Schluss, dass die genannte Konzeption große regionalökonomische Effekte haben würde, wenn sich ansässige Unternehmen, Kommunen und Bürger*innen finanziell beteiligen könnten – so wie es im Konzept auch vorgesehen ist.

Wie wahrscheinlich eine Umsetzung dieser aufsehenerregenden Idee ist, hängt in hohem Maße von den politischen Rahmenbedingungen ab. Wenn die Kohlekommission im Januar nächsten Jahres ein deutliches Signal setzt, wird auch das Angebot für RWE attraktiver. Als Kaufpreis für das Entwicklungsgebiet veranschlagt Greenpeace Energy rund 384 Millionen Euro – so viel wie laut Analysten an Gewinnen mit den Kraftwerken noch am Strommarkt erzielt werden könne. Andere Expert*innen gehen davon aus, der Preis sei zu niedrig angesetzt, weil der Strompreis mit dem Ende der Atomkraft in Deutschland in den kommenden Jahren nochmal steigen werde. Geht man allerdings davon aus, dass mit zunehmender Kritik an der deutschen Klimapolitik auch immer mehr Stromkund*innen zu echtem Ökostrom wechseln – derzeit liegt die Zahl der Haushalte mit konventionellem Strommix noch bei 80 Prozent – könnte sich der Markt auch bei insgesamt steigenden Preisen deutlich anders entwickeln.

Klimaplan für Deutschland und Europa: Ökonomen schlagen CO2-Preisreform vor

Vor wenigen Tagen hatte sich die UN-Umweltagentur für eine internationale grüne Steuerreform stark gemacht. Jetzt haben Ökonomen direkt vor dem Start des Klimagipfels im polnischen Kattowitz ein neues Konzept für eine CO2-Preisrefom in Deutschland und Europa vorgelegt. Das Magazin SPIEGEL hat hierüber am Wochenende vorab groß berichtet. Gemeinsam entwerfen der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen Christoph Schmidt vom RWI Essen und Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sowie des Mercator Research Institute for Global Commons and Climate Change (MCC), Eckpunkte für einen marktwirtschaftlichen Weg  aus der Kohle. Der Ausstoß von klimaschädlichem CO2 soll teurer werden, zugleich aber die Stromsteuer billiger. Ein sozial gerechter und effizienter Übergang zu nachhaltigem Wirtschaften ist möglich, so die Autoren. Würde der Ausstoß von Treibhausgasen hingegen nicht gemindert, so drohen ökonomische Klimaschäden ungekannten Ausmaßes.

„Wir wollen die Steuerlast nicht erhöhen, sondern nur anders verteilen,“ sagt Ottmar Edenhofer im SPIEGEL. „Heute besteuern wir zum Beispiel das vergleichsweise weniger klimaschädliche Erdgas viel höher als Heizöl. Mit solchem Unfug wollen wir Schluss machen und künftig alle Energieträger einheitlich nach ihrem CO2-Gehalt mit Abgaben belegen. Und noch etwas gehört zu unserem Konzept: Was der Staat zusätzlich einnimmt, gibt er eins zu eins wieder an Wirtschaft und Verbraucher zurück.“ Dabei setzen die beiden Ökonomen darauf, dass Deutschland den Klimaplan gemeinsam mit einer Pionier-Koalition anderer europäischer Länder umsetzen könnte – insbesondere Frankreich setzt sich stark für eine wirksame CO2-Bepreisung ein, aber auch die Niederlande und skandinavische Länder haben das Thema erkannt.

Drei Kern-Elemente umfasst der Plan:

  • Im Europäischen Emissionshandel wird gemeinsam mit Europäischen Partnern ein Mindestpreis von 20 EURO pro Tonne CO2 festgesetzt. Bis zum Jahr 2030 steigt dieser Mindestpreis auf 35 EURO an. Damit werden die deutschen Klimaziele in der Energiewirtschaft in 2030 voraussichtlich erreicht.
  • Parallel dazu wird eine Energiesteuerreform durchgeführt und auf eine einheitliche Besteuerung der fossilen Energieträger nach CO2 Gehalt umgestellt. Dadurch steigt die Benzinsteuer in Deutschland um 4,6 Cent je Liter, die Dieselsteuer um 5,2 Cent je Liter. Ein weitergehender Vorschlag allein von Edenhofer sieht vor, dass das Dieselprivileg abgeschafft und die Dieselsteuer um 18 Cent je Liter auf das Niveau der Benzinsteuer angehoben wird.
  • Zur Entlastung der Haushalte und Förderung der Sektorkopplung wird die Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz abgesenkt. Zusätzliche Mehreinnahmen werden zur Kompensation einkommensschwacher Haushalte verwendet.

Energiewende in Richtung marktwirtschaftlicher Instrumente umsteuern

Insbesondere ein Ausstieg aus der Kohle könne nur in Kombination mit einer CO2-Preisreform ein echter Beitrag zur Stabilisierung unseres Klimas sein, warnte Edenhofer. Wenn – wie gegenwärtig diskutiert – einfach nur Kraftwerke stillgelegt werden, könnte dies einen widersinnigen Effekt haben, so der Ökonom. „Dann würde der Strompreis steigen, und es würde sich rechnen, bislang nicht ausgelastete Steinkohlekraftwerke hochzufahren.“ Im Ergebnis könnte der Ausstoß von Treibhausgasen sogar steigen. Würden wir dagegen den Einsatz von Kohle durch einen höheren CO2-Mindestpreis verteuern, ließe sich das verhindern

Damit unsere Ökonomie weiter funktioniert, müssen Maßnahmen zur Klimastabilisierung ergriffen werden, da sind sich die Edenhofer und Schmidt einig.  „Wer zum CO2-Ausstoß beiträgt, muss sich darauf einstellen, künftig höhere Preise oder Steuern zu zahlen“, erklärt der Vorsitzende des wirtschaftspolitischen Sachverständigenrats der Bundesregierung, Schmidt. „Was wird die Folge sein? Unternehmen und Konsumenten werden sich überlegen, worauf sie verzichten können oder welche Technik sie einsetzen, um ihre Kosten zu begrenzen. Wir setzen auf die Erfindungsgabe und Anpassungsfähigkeit des Einzelnen statt auf planwirtschaftliche Vorgaben.“ Und: „Wenn wir bei der Energiewende nicht deutlich in Richtung marktwirtschaftlicher Instrumente umsteuern, sondern den bisherigen kleinteiligen und planwirtschaftlichen Weg weitergehen, wird es insgesamt noch viel teurer werden – letztlich zu Lasten der Bürger.“ Das wäre der schlechtere Weg.

UN-Umweltbehörde: Lücke zwischen Worten und Taten schließen

Die Umweltbehörde der Vereinten Nationen (UNEP) hatte zuvor in ihrem Bericht zur Entwicklung des Ausstoßes von Treibhausgasen klargestellt, dass die bisherigen Maßnahmen zur Stabilisierung des Klimas nicht ausreichen. Der Bericht spricht sich für eine „grüne internationale Steuerreform“ aus. Von den knapp zwanzig Autorinnen und Autoren des Berichts arbeiten mehrere am Potsdam-Institut und am MCC, darunter Gunnar Luderer und Brigitte Knopf.

“Es klafft weiter eine fatale Lücke zwischen Worten und Taten, zwischen den von den Staaten vereinbarten Zielen der Stabilisierung unseres Klimas und den Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele,“ erklärte PIK-Forscher Luderer. „Der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen steigt weiter an, die Klimarisiken nehmen weiter zu. Helfen kann hier nur eine rasche Trendwende: Die Emissionen müssen bis 2030 um ein Viertel verringert werden, um die Erwärmung auf weniger als 2 Grad Celsius zu begrenzen – für 1,5 Grad müssten die Emissionen sogar halbiert werden. Deutschland und Europa könnten hier Führungsstärke zeigen, indem sie die vollständige Treibhausgasneutralität bis 2050 und eine deutliche Stärkung der Emissionsminderungsziele für 2030 festschreiben.”

Genau deshalb ist eine CO2-Preisrefom nötig, so Brigitte Knopf, Generalsekretärin des MCC: “Neben der ‘Emissionslücke’ klafft vor allem eine große ‘Politik-Lücke’. Um diese Lücke zu schließen, ist eine nachhaltige Finanzreform in Deutschland und auf internationaler Ebene ein entscheidender Baustein. Neben dem Abbau von fossilen Subventionen muss eine solche Reform einen wirksamen CO2 Preis beinhalten. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung können dazu verwendet werden, andere Steuern zu senken, sie für Investitionen in nachhaltige Infrastruktur aufzuwenden oder einkommensschwache Haushalte zu kompensieren. Derzeit sind allerdings die Hälfte der Energieemissionen unbepreist. Diese Politiklücke muss schnell geschlossen werden, wenn die Pariser Klimaziele noch erreichbar bleiben sollen.”

Das KliB-Team begrüßt diese Initiativen. In unserem Survey hatten wir ja auch nach klimapolitischen Optionen gefragt, die die KliB-Haushalte für notwendig halten. 64,9% der teilnehmenden Haushalte finden eine Verbesserung des EU-Emissionshandels sinnvoll, 82,5% sprechen sich für eine CO2-Steuer aus. Und das schon, bevor die beiden Ökonomen ihren Vorschlag unterbreitet haben!

Weblink zum gemeinsamen Vorschlag von Ottmar Edenhofer (PIK/MCC) und Christoph Schmidt (RWI):
http://www.rwi-essen.de/publikationen/rwi-positionen/450/

Weblink zum Dossier von PIK und MCC: Eckpunkte einer CO2-Preisreform für Deutschland:
https://www.pik-potsdam.de/news/press-releases/files/eckpunkte-einer-co2-preisreform-fur-deutschland

Weblink zum UN Emissions Gap Report:
https://www.unenvironment.org/resources/emissions-gap-report-2018

Ergebnisse der KliB-Workshops: Erfahrungen aus dem laufenden Reallabor

Im Rahmen der Aktionswoche „Berlin spart Energie“ luden wir zu 2 Workshops in das Berliner Effizienzhaus Plus ein um mit den KliB-Haushalten und der interessierten Öffentlichkeit erste Ergebnisse des Projekts und Erfahrungen mit der Bilanzierung und dem Tracker zu besprechen.

Der erste Workshop fand am 12.11. unter dem Titel: „Klimaschutz durch private Haushalte – Was können Einzelne tun?“ statt. Hier sind wir zusammengekommen, um zu besprechen, was wir aus fast einem Jahr KliB-Projekt mitgenommen haben. Wir haben gefragt: In welchen Bereichen ist es leicht gefallen sich klimafreundlicher zu verhalten? Was hat Spaß gemacht? Was hat viel oder wenig gebracht?

Die Antworten darauf waren so divers, wie die KliB-Teilnehmenden. Für einige war der Verzicht auf Flugreisen kein Problem, andere haben es nicht geschafft, sie zu vermeiden. Manche haben das wöchentliche Tracking zur Routine gemacht, während einige Haushalte es schwierig fanden jede Woche den Tracker von neuem aufzurufen. Aber in einigen Punkten bestand auch großer Konsens: Fahrrad fahren kann Spaß machen! Darauf konnten sich fast alle einigen. Und auch der Kritik an der Kategorie „sonstiger Konsum“ konnten sich viele anschließen. Wie hier mit Langzeit-Investitionen umgegangen wird, warum die Obergrenze ausgerechnet bei 210€ liegt, und warum teure, qualitativ hochwertige und ggf. nachhaltig produzierte Produkte und Dienstleistungen negativ auf die CO₂-Bilanz wirken hat für Diskussionen im Forum und bei dem Workshop gesorgt.

Von vielen wurde auch unterstrichen, dass das Projekt einen großen Lerneffekt hatte. Welche Klimawirkungen das eigene Handeln hat und welche Bereiche des Alltags die CO₂-Bilanz besonders beeinflussen, wurde jede Woche beim tracken deutlich. Dass ein ganzes Jahr vegetarische Ernährung und das konsequente Einkaufen von Second-Hand Produkten in der Bilanz durch nur einen Kurzstreckenflug überdeckt wird, hat manche frustriert, doch es hat auch das Gefühl für die Relationen der CO₂-Emissionen geschärft.

Das Bewusstsein für nachhaltiges Verhalten ist gewachsen und der Alltag wird nun kritischer betrachtet. Immer wieder sind die Haushalte im Verlauf des Projekts an den Punkt gestoßen, wo sie als Privatperson eine Grenze erreicht haben. Warum ist es an manchen Stellen so schwer, klimafreundlich zu leben und warum gibt es so wenig Unterstützung dabei?

Vor dem Hintergrund dieser Auswertung ging es dann auch darum, die Brücke in die politische Sphäre zu schlagen. Welche Wünsche/ Forderungen stellen die Menschen an die Politik, die ein Jahr lang intensiv an der Verbesserung ihres CO₂-Fußabdruckes gearbeitet haben?

Ein Hauptthema in der intensiven Diskussion war die CO₂-Steuer. Den „echten“ Preis jedes Produktes zu verlangen, also auch den CO₂-Ausstoß mit zu rechnen, würde das klimafreundliche Handeln erleichtern, und einen ökonomischen Anreiz schaffen, ökologischer zu konsumieren. Wenn klimafreundliche Produkte auf einmal deutlich günstiger werden als klimaschädliche Produkte und Dienstleistungen, würden auch mehr Menschen zu klimafreundlichem Konsum animiert – auch und besonders jene, die bisher kein Interesse oder Wissen im Bereich Klimaschutz hatten. Diese These unterstrichen fast alle Teilnehmer*innen beider Workshops. Dass diese Idee von der Politik umgesetzt wird, wurde allerdings als eher unwahrscheinlich eingestuft. Wenn Bürger*innen die Umweltsteuer auf CO₂ nicht deutlich einfordern und den Entscheidungsträger*innen keinen Druck machten, dann werde nichts passieren, so die Argumentation.

Weder Staat noch die Bürger*innen können das Problem des Klimawandels alleine bekämpfen, da waren sich alle einig. Es braucht Eigeninitiative, gut informierte Menschen und Vorbilder, um klimafreundliches Verhalten in der breiten Gesellschaft umzusetzen. Aber ohne deutlichere politische Rahmenbedingungen geht es auch nicht. Und all das am besten, bevor es zu einer großen Klimakatastrophe kommt.

Es gibt noch viel zu tun, doch am Ende des ersten Workshops hatte man das Gefühl, dass mit vielen guten Ideen und großer Motivation auch einiges gelingen kann.

Bei dem zweiten Workshop lag der Fokus explizit auf dem Tracker. Unter dem Titel „Individuelle CO₂-Emissionen nachverfolgen – Perspektiven des CO₂-Trackings“ trafen wir uns am 13.11., um das Instrument der wöchentlichen Erfassung im Detail zu besprechen. Nach einer inhaltlichen Einführung zur Funktionsweise des Trackers und zur Bilanzierung von Produkten und Dienstleistungen, wurde sich darüber ausgetauscht, wie ein idealer Tracker aussehen könnte.

Gerade im Sektor Wohnen sollte sich der Tracker den Gegebenheiten des*r Nutzer*in anpassen. Auch kam die Idee auf, noch stärker zwischen Mobilität am Boden und in der Luft zu unterscheiden, um Erfolge in der Alltagsmobilität besser identifizieren zu können.
Eine noch detailliertere Einführung in das Tracking und die Funktionsweisen des Trackers würde zudem helfen, Fragen im Vorfeld auszuräumen. Ferner sollten beispielsweise Kosten für Reparatur extra gewertet werden, da diese die gewünschte Langlebigkeit von Produkten erhöhen.
Tipps und Tricks zur Einsparung könnten als Hilfestellung in die Eingabemaske integriert werden.
Für viele waren in dem Tracker die Genauigkeit und die Benutzer*innenfreundlichkeit in einem ausgewogenen Maße gegeben. Besonders hilfreich an dem Instrument des Trackers war, dass das wöchentliche Befassen mit der Thematik dabei geholfen hat, immer wieder über Einsparpotentiale nachzudenken.
Ein idealer Tracker könnte die eigene Entwicklung grafisch immer wieder aufarbeiten um den Nutzer*innen ein mitlaufendes Feedback zu ermöglichen. Wenn der Tracker mehr das Format einer App hätte, könnten weitere Elemente der Gamifikation integriert werden. Eine stärkere Vergleichbarkeit und Vernetzung mit anderen Haushalten wurde zudem als interessante Idee aufgebracht.

Über den Tracker hinaus wäre es denkbar, die Erfassung mit Kompensationsmöglichkeiten oder anderen Angeboten, beispielsweise einem Elektromobilitätsangebot der Stadtwerke zu verknüpfen. So könnte das Geld für CO2 Kompensation in lokale Projekte fließen und als Bonus den Haushalten vergünstigte Carsharing-Elektromobilität ermöglichen.

Wir danken allen Teilnehmer*innen für ihre wertvollen Beiträge und ihr konstruktives Feedback und freuen uns die Ideen in die weitere Arbeit zu integrieren.

Seraja Bock und Klara Kaiser (KliB-Team)

“Erfahrungen – Realitäten – Visionen” – KLIB-Haushalte melden sich zu Wort

In diesem Format wollen wir in der restlichen Zeit des Reallabors Haushalte mit ihren Erfahrungen, Anregungen etc. zu Wort kommen lassen.[1] Heute berichtet Mechtild Lutze (Nickname im Projekt: Lume) über ihr Jahr im KliB-Projekt.

“Erfahrungen – Realitäten – Visionen”

Lohnt es sich für mich überhaupt bei „Klimaneutral Leben in Berlin“ (KliB) mitzumachen, hatte ich vor einem Jahr überlegt. Wo könnte ich noch CO2 einsparen? Strom- und Gasverbrauch waren immer schon sehr gering, bei der Ernährung sah ich kein wirkliches Potenzial, auch wenn ich mich nur hin und wieder vegan ernähre, ansonsten Milchprodukte in geringem Maße verzehre.
Mobilität: In Berlin fahre ich fast ausschließlich Fahrrad, ein Auto besitze ich nicht, für weitere Strecken nehme ich den Zug – bleiben nur die Flugreisen, ab und an, nicht in jedem Jahr. Die unbekannte Größe war der Sonstige Konsum. Wie würde das gemessen werden? Da ich mich als sparsame und bewusste Konsumentin einstufe, sollte das auch nicht zu sehr ins Gewicht fallen, so seinerzeit meine Gedanken.
Tendenziell lief es mit meinem CO2-Fußabdruck so, wie ich es mir vor einem Jahr vorgestellt hatte. Eigentlich lief es sogar besser, aber das vor dem Hintergrund, dass ich aufgrund eines Verkehrsunfalles Ende Mai in meiner Mobilität so beeinträchtigt war (leider ist der Fuß immer noch nicht ganz in Ordnung), dass ich nicht nur die geplanten Urlaube canceln musste, sondern nicht mal geplante Wochenend-Bahnfahrten in Deutschland antreten konnte. Summa summarum ist meine Mobilitätsbilanz besser als im Jahr 2017.

Nehme ich den Sonstigen Konsum noch ein wenig unter die Lupe, ist meine vordergründige Frage, warum es überhaupt die Geldwertstufen 35,-/ 70,- etc. gibt und die Endstufe bei mehr als 210,- Euro liegt. Eventuell habe ich da was übersehen Richtung Begründung. Warum wurde nicht festgelegt, dass der Betrag gewählt wird, den sie/er tatsächlich ausgegeben hat? Technisch dürfte das doch kein Problem sein, wenn hinter einer Summe X sonstiger Konsum eine bestimmte Größe CO2 gelegt wird. Was sagt nun z. B. ein Wert von 200,- Euro wirklich über die Beschaffenheit eines Produktes aus? Warum soll in jedem Produkt in Höhe von 200,- Euro die gleiche Menge CO2 liegen? Und warum die Festlegung auf maximal „mehr als 210,- Euro“ und egal, wie hoch die ausgegebene Summe dann ist, der CO2-Ausstoß bleibt gleich. Das kann ich nicht nachvollziehen.
Ich möchte diesen Punkt hier nicht weiter vertiefen, denn bekanntlich wurde und wird über diese Tracking-Komponente viel diskutiert.

Zur Komponente Ernährung ist es mir wichtig, hier in meiner Bilanz zu dem Thema vegan versus vegetarisch noch ein paar Gedanken zu äußern. Schwierig finde ich, dass die vegane Ernährungsweise per se mit weniger CO2 Ausstoß ausgewiesen wird. Das Verhalten des Einzelnen dahinter bleibt letztlich verschwommen. Lässt sich das wirklich so exakt feststellen, dass ich als tendenziell vegetarisch lebender Mensch eine schlechtere CO2 Bilanz habe als ein vegan lebender Mensch. Meine tierischen Produkte begrenzen sich pro Woche auf ca. 1-2 l Kuhmilch (in der Pfandglasflasche aus der Region), 500 g Speisequark (direkt vom Erzeuger im Pfandglas), 50-100 g Butter (direkt vom Erzeuger, verpackt in Pergamentpapier), ca. 50 g Hartkäse oder Fetakäse (Kuh, Ziege, Schaf direkt vom Erzeuger, ohne Verpackung). Wie würde der CO2-Abdruck eines vegan lebenden Menschen ausschauen, der vegane Drinks, aus Dinkel, Mandel, Hafer etc. in der Verbundverpackung kauft, Pflanzenmargarine, die in der Herstellung aufwendig ist (das heißt ein hochverarbeitetes Produkt ist und zudem in Kunststoff-/Aluverpackung angeboten wird) und veganen Käse konsumiert, der ebenfalls ein hochveredeltes Produkt in Kunststoffverpackung ist, Sojadessert oder ähnliche Produkte in Kunststoffverpackung und weitere verarbeitete Produkte, wie Seitan oder Tofu verzehrt?
Ich würde mir hier wünschen, noch mehr Gewicht auf individuelles Konsumverhalten zu legen.

Als Letztes möchte ich in meiner Bilanz noch auf den Faktor Mobilität eingehen. Hierbei beschäftigt mich das Thema Fliegen/Flugreisen und Kreuzfahrtschiffe am meisten. Denn zur Nutzung des Autos versus öffentliche Verkehrsmittel und/oder Fahrrad wird deutlich mehr diskutiert als über Flugreisen und Kreuzfahrtschiffe, wobei Letztere in letzter Zeit etwas mehr in die öffentliche Kritik geraten sind. Deutlich zu wenig bis gar nicht wird über die Begrenzung des Flugverkehrs gesprochen. In meiner Wahrnehmung hat sich das Fliegen zum billigen Massenprodukt entwickelt und kaum jemand fordert eine deutliche Begrenzung. Im Gegenteil, statt über die Schließung von Flughäfen oder wenigstens über Verbote von Neubauten und Erweiterungen zu sprechen, hört man vorrangig, dass die Kapazitäten nicht ausreichen! Die (individuelle) Flugreise erscheint mir immer mehr als so etwas wie eine „heilige Kuh“. Na ja, ohne Auto, das geht schon irgendwie aber nicht mehr zu fliegen, nein, das können sich selbst klimabewusste Menschen, Klimaschützer*innen/Aktivist*innen oder fortschrittliche Politiker*innen offenbar nicht vorstellen. Mir ist nicht mal im Ansatz eine Diskussion bekannt, geschweige denn konkrete Forderungen, die auf deutliche Begrenzungen des Flugverkehrs zielen.

Wie soll das gehen – klimaneutral?
Diese Frage beschäftigt mich ernsthaft und dabei bin ich u. a. auf folgendes Zitat gestoßen:

„(…) Von 12 Tonnen CO2 auf unter 1 Tonne CO2 pro Person und Jahr. Das ist die Position des Umweltbundesamtes im Einklang mit der internationalen Staatengemeinschaft. Hierzu müssen wir noch viel tun. Insbesondere brauchen wir wirksame staatliche Rahmenbedingungen.“ (Quelle: Umweltbundesamt)

Eine Tonne pro Person pro Jahr – unvorstellbar!! Meine persönliche Prognose für 2018 liegt unter 5 Tonnen. Würden die öffentlichen Emissionen mit 0,73 t wegfallen, hätte ich immer noch 3 Tonnen zu viel. Betrachte ich meine Emissionen von 2,29 t beim sonstigen Konsum (Stand 11.11.2018) und würden diese wegfallen, hätte ich das Problem fast gelöst! In dieser Woche habe ich 140,- Euro für sonstigen Konsum angegeben, tendenziell lag ich zwischen 35,- und 70,- Euro pro Woche. In meiner Schätzung für 2017 lag ich bei 2,76 t. Der sonstige Konsum also wirklich ein Thema, siehe oben!

Klimaneutral Leben in Berlin – Hat das Projekt den falschen Namen gewählt oder müssen wir noch viel arbeiten an dieser Vision?!

Mechtild Lutze
(Lume)

 

[1] Hast Du/ Haben Sie ebenfalls ein Thema, das auch für andere Haushalte interessant ist? Und Du/ Sie möchten dazu gerne einen Newsletter-Beitrag verfassen? Dann würden wir uns über eine Nachricht an klib@pik-potsdam.de mit dem Stichwort “NL-Beitrag” freuen.

Das Recht auf Klimaschutz einfordern

Diese Klage könnte eine weitreichend Dimension entwickeln: Drei Bio Landwirte verklagen in Zusammenarbeit mit Greenpeace die Bundesregierung, da diese zu wenig für den Klimaschutz tue.
Diese Vollzugsklage zielt darauf ab, die Bundesregierung per Gerichtsbeschluss zu verpflichten, alles Notwendige für das Erreichen der selbstgesteckten Klimaziele für 2020 zu tun.

Die Auswirkungen des Klimawandels bedrohen weltweit den Lebensraum von Menschen und Tieren, doch vor allem durch den diesjährigen Hitzesommer sind die Folgen einer menschengemachten Klimaveränderung auch in Deutschland zu spüren. Vor allem Bäuer*innen sehen sich in dem Zusammenhang mit größten Herausforderungen konfrontiert. Heiner Lütke Schwienhorst bewertet die Lage auf seinem Bio-Hof in Brandenburg so: „Der Klimawandel hat eine beängstigende Dimension. Da braucht es ungeheure finanzielle Anstrengungen, um sich vor den Folgen zu schützen. Noch so ein Sommer würde an die Substanz gehen.“

Grundrecht auf Leben und Gesundheit durch Klimawandel bedroht

Die Bundesregierung hatte 2014 das nationale Klimaschutzprogramm 2020 beschlossen und darin das Ziel formuliert, bis zum Jahr 2020 mindestens 40 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgase gegenüber 1990 zu reduzieren. Dieses Ziel wurde dieses Jahr von der Bundesregierung aufgegeben. Stattdessen wurden neue Klimaziele für 2050 gesetzt.

Bei der Klage geht es darum, dass die Bundesregierung aus Sicht von Greenpeace und den drei klagenden Biobauern aufgehört habe, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Klimaschutzziele 2020 zu erreichen. Dieses Unterlassen verletze das Grundrecht zum Schutz von Eigentum, Beruf, Leben und Gesundheit. Zielsetzung ist es, die Bundesregierung juristisch dazu zu verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen um die selbstgesteckten Ziele doch noch zu erreichen.
Es geht dabei explizit nicht um die Einforderung von Schadensersatz sondern um eine stellvertretende Klage für alle vom Klimawandel Betroffenen. Im Zentrum steht das Einklagen des Rechts auf Klimaschutz. “Uns ist auch wichtig, mit der Klage zu zeigen, dass Klimapolitik keine Gefälligkeit der Regierung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ist, sondern dass Klimaschutz unser gutes Recht ist.” sagt Lisa Göldner, die als Klima-Expertin bei Greenpeace arbeitet.

Bäuerinnen und Bauern kämpfen gegen die Auswirkungen des Klimawandels
An der Klage beteiligen sich drei Familien , die auf unterschiedliche Weise von der Veränderung des Klimas betroffen sind. Familie Backsen betreibt einen Bio-Hof auf der Nordseeinsel Pellworm und sieht sich und ihre Landwirtschaft durch einen steigenden Meeresspiegel sowie durch Wetterextreme wie Starkregen und Sturmfluten bedroht. Familie Lütke Schwienhorst hat eine Bio-Landwirtschaft in Brandenburg. Mit Wetterextremen sehen sie sich schon länger konfrontiert, der Hitzesommer 2018 bedrohte ihre landwirtschaftliche Existenz. Und auch Familie Blohm vom Bio-Obsthof in der Nähe von Hamburg spürt die Auswirkungen der Klimakrise durch Hagelschlag, Trockenheit oder neue Schädlinge unmittelbar.

Auch wenn Deutschland nicht allein für den Klimawandel verantwortlich ist und auch den Klimawandel alleine nicht aufhalten kann, so ist es als eines der wirtschafts- und finanzstärksten Länder der Welt maßgeblich für Emissionen mit verantwortlich. Außerdem haben mittlerweile ein ganze Reihe von Bundesregierungen Klimaschutz betrieben und verbindliche internationale Abkommen – darunter auch das von Paris – unterschrieben. Daraus lässt sich aus Sicht der Kläger sowohl eine Art „Vertrauensschutz“ in das Regierungshandeln als auch eine besondere Pflicht ableiten, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren.

Ein Erreichen der Klimaschutzziele wäre noch möglich
Die Erreichung der Klimaziele bis 2020 ist mit geeigneten Maßnahmen selbst jetzt noch im Rahmen des Möglichen. Eine Studie des Fraunhofer Instituts belegte, dass vor allem mit der Abschaltung und Drosselung von Braunkohlekraftwerken bei gewährleisteter Versorgungssicherheit die Zielsetzungen erreicht werden könnten.
Dass eine solche Art der Klage Erfolg haben kann zeigen nicht nur die jüngsten Klagen für Fahrverbote zur Luftreinhaltung in deutschen Städten. Auch in den Niederlanden wurde der Staat ganz ähnlich durch die erfolgreiche Klage der Urgenda Stiftung juristisch zur Durchsetzung von Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet. Andernfalls, so das Gericht in Den Haag, drohe der Regierung eine empfindliche Geldstrafe.

Weitere Informationen:
https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/20181027-greenpeace-factsheet-klimaklaeger-im-profil.pdf

Quellen:
https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/20182710-greenpeace-guenther-klageschrift-klimaklage.pdf
https://www.energiezukunft.eu/politik/niederlande-zum-klimaschutz-verurteilt/
https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/energieszenario_fuer_2020.pdf

 

 

“Eine Welt, die anders ist, als alles, was wir kennen”

Ähnlich den Dominosteinen könnten sich verschiedene “Kippelemente des Klimasystems” gegenseitig beeinflussen und das Gesicht unserer Welt signifikant verändern. Deshalb ist es wichtig, den Anstieg der Erderwärmung mindestens durch Einhaltung der Paris-Ziele zu stoppen.

Im Zusammenhang mit dem Klimawandel fällt in letzter Zeit immer öfter das Wort „Heißzeit“. Droht der Menschheit eine neue Epoche, die als „Heißzeit“ zu bezeichnen ist? Forschungsergebnisse des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) weisen in einer neuen Publikation, die auf mehreren Studien basiert, auf eine solche Gefahr hin: In dieser Welt könnte sich z.B. die globale Mitteltemperatur (GMT) langfristig um etwa vier bis fünf Grad Celsius erwärmen mit allen daraus resultierenden Konsequenzen und der Meeresspiegel könnte um zehn bis 60 Meter ansteigen.

Eine wichtige Rolle spielen dabei die sogenannten „Kippelemente“ (oder auch: „Kipppunkte“) im Klimasystem wie z.B. die auftauenden Permafrostböden in Russland, der Golfstrom oder der Regenwald des Amazonas. Sie werden auch als „Achillesfersen des Erdsystems“ bezeichnet, denn kleinste Einflüsse können dazu führen, dass bestimmte Zusammenhänge plötzlich anders funktionieren mit großen Folgen für das Klimasystem und oft ist diese Entwicklung dann nicht umkehrbar.

Abbildung: Geografische Einordnung der wichtigsten Kippelemente im Erdsystem mit Angabe der Klimazonen nach Köppen. Quelle: PIK, 2017.

Ein Beispiel für eine solche Gefahr ist die Umkehr des Golfstroms, dessen Fließgeschwindigkeit sich seit der Mitte des 20 Jhts. bereits um 15% verringert hat. Ein anderes Beispiel sind die russischen Permafrostböden: Mit dem Auftauen des dauerhaft gefrorenen Bodens werden sehr große Mengen von Treibhausgasen wie etwa Methan freigesetzt. Dies führt dazu, dass sich die Erderwärmung noch weiter beschleunigt, was wiederum auch zu einem noch schnelleren Auftauen der Böden führt etc.

Auch besteht beispielsweise die Gefahr, dass die Wellenbewegungen des Jetstreams in der Atmosphäre sich zunehmend langsamer voran bewegen bzw. quasi stationär werden. Dies könnte dazu führen, dass Wettersysteme länger anhalten – aus ein paar sonnigen Tagen kann eine Hitzewelle werden, anhaltender Regen kann zu Überschwemmungen führen. Insgesamt können Wetterextreme durch einen verlangsamten Jetstream häufiger werden.

In einer aktuellen Studie weisen WissenschaftlerInnen zudem auf die Möglichkeit eines gefährlichen Zusammenspiels mehrerer dieser Kippelemente hin. Nach Johan Rockström, dem neuen Co-Direktor des PIK und Mitautor der Studie, könnten sich die Kippelemente „wie eine Reihe von Dominosteinen verhalten… Wird einer von ihnen gekippt, schiebt dieses Element die Erde auf einen weiteren Kipppunkt zu.” Nach Hans Joachim Schellnhuber (dem ehemaligen PIK-Direktor) wären weitere Folgen möglich: “Werden dadurch empfindliche Elemente des Erdsystems gekippt, könnte sich die Erwärmung durch Rückkopplungseffekte selbst weiter verstärken. Das Ergebnis wäre eine Welt, die anders ist, als alles, was wir kennen”, so der Klimaforscher, der gleichzeitig fordert: “Die Forschung muss sich daran machen, dieses Risiko schnellstmöglich besser abzuschätzen.”

In der Tat: Die Wissenschaft kann heute noch nicht genau sagen, ab wann eine solche „Kaskade von Kipp-Elementen“ die Erde womöglich in eine Heißzeit bringt. Seit der Industrialisierung ist die GMT um etwa ein Grad angestiegen. Mit dem Pariser Abkommen soll sie auf maximal 1,5 – 2 Grad stabilisiert werden. Nach Auffassung der AutorInnen kann nun aber nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass die Erreichung des 2-Grad-Ziels die oben angerissenen Gefahren unmöglich macht. Wo genau dieser Schwellwert liege, ob es möglich ist, ihn exakt zu bestimmen, alles dies bleibt weiteren Forschungen überlassen.

Angesichts solcher Gefahren muss die gesellschaftliche Transformation eher noch engagierter vorangetrieben werden – Projekte wie KLIB leisten hierzu in jedem Fall einen Beitrag.

 

Weitere Informationen

PIK-Pressemitteilung vom 6.8.2018 unter: https://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/auf-dem-weg-in-die-heisszeit-planet-koennte-kritische-schwelle-ueberschreiten

Artikel: Will Steffen, Johan Rockström, Katherine Richardson, Timothy M. Lenton, Carl Folke, Diana Liverman, Colin P.Summerhayes, Anthony D. Barnosky, Sarah E. Cornell, Michel Crucifix, Jonathan F. Donges, Ingo Fetzer, Steven J. Lade, Marten Scheffer, Ricarda Winkelmann, Hans Joachim Schellnhuber (2018). Trajectories of the Earth System on the Anthropocene. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS). [DOI: 10.1073/pnas.1810141115]
Weblink: http://www.pnas.org/content/early/2018/07/31/1810141115

Ergebnisse aus dem Reallabor – Die fünf Haushalte mit den bisher höchsten Einsparungen

Noch bis Ende Dezember geht unser Reallabor – es bleiben also noch acht Wochen zum Tracken. Viele von Ihnen stellen sich nun sicher die Frage, wo stehe ich und was haben die anderen Haushalte erreicht.

Die Ballongrafik gibt Ihnen Orientierung – auch wenn sie einige Haushalte darstellt, die im Tracking zurückgefallen sind und somit das Bild etwas verzerren. So sind zum Beispiel einige Ballons zu sehen, die mit sehr geringen Emissionen – etwa zwischen 3 und 4 Tonnen – aufwarten. Diese geringen Zahlen sind allerdings meistens einem sehr frühen Ausstieg aus dem Tracking geschuldet.

Für die Auswertung des Reallabors haben wir nun begonnen, die Zahlen aufzubereiten und zu analysieren. Dafür haben wir nur jene Fälle berücksichtigt, die bis zu den Herbstferien durchgehend getrackt haben. In diesem Zusammenhang möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass Sie auch jetzt noch zurückliegende Wochen nachholen können, falls Sie sich noch an die Einzelheiten der versäumten Trackingwochen erinnern können!

Viele von Ihnen haben es geschafft am Ball zu bleiben und Ihr Konsumverhalten kontinuierlich zu dokumentieren. Das allein ist schon eine tolle Leistung – Glückwunsch! Noch dazu gibt es einige Haushalte, die ganz erstaunliche Ergebnisse bei der Reduktion ihrer Treibhausgasbilanz erzielen konnten. In diesem Beitrag möchten wir uns diese Haushalte und ihre Reduktionsleistungen einmal genauer anschauen und zwar jene, die insgesamt gesehen die höchsten Reduktionen erzielt haben. Wie sich diese Einsparungen auf die einzelnen Handlungsfelder verteilen, zeigen die folgenden Grafiken. Diese enthalten zudem Informationen über die jeweilige Ausgangsbilanz (Baseline 2017), den projizierten Wert für 2018, die Gesamteinsparung und weitere Informationen zu Haushaltsgröße, Flugreisen, Bildungsabschluss der KliB-Repräsentant*in und zum Einkommen.

Abb. 1:

Die höchsten Einsparungen insgesamt wurden in einem 1-Personenhaushalt erzielt, der mit einer relativ hohen Ausgangsbilanz gestartet ist (Abb. 1). Über 8,2 Tonnen CO2 hat diese Person einsparen können. Interessanterweise wurden die größten Einsparungen im Handlungsfeld Sonstiger Konsum erreicht, gefolgt von Reduktionen in der Mobilität. Diese wurden vor allem durch weniger Autofahrten im Vergleich zum Vorjahr erlangt. Recht klein, aber immerhin relevant waren auch Ersparnisse im Handlungsfeld Heizung und im Bereich Ernährung. Damit hat es diese Person mit knapp 11 Tonnen etwas unter den deutschen Durchschnitt geschafft. Ein recht hoher Anteil dieser ansonsten recht klimafreundlichen Bilanz wurde dabei durch einen Langstreckenflug verursacht, der sowohl im Basisjahr 2017 als auch in diesem Jahr getätigt wurde.

Abb. 2:

Ebenfalls beachtlich sind die Reduktionen des zweitbesten Haushaltes (Abb. 2). Dieser 3-Personenhaushalt konnte im Schnitt 5.300 kg CO2 einsparen, von ca. 14 Tonnen im Vorjahr auf knapp 9 Tonnen in diesem Jahr. Hier wurde die Zahl der Flüge innerhalb Deutschlands und Europas gesenkt von fünf auf zwei. Auch bei der Nutzung des eigenen PKWs konnten Einsparungen erzielt werden. Bei diesem Haushalt stehen die Reduktionen im Sonstigen Konsum an zweiter Stelle mit knapp 2,2 Tonnen.

Abb. 3:

Der drittbeste Haushalt mit einer Haushaltsgröße von zwei Personen konnte vor allem durch eine deutlich geringere Zahl an Flugreisen punkten (Abb. 3). Mit 4,6 Tonnen Einsparungen konnte der Ausgangswert von weit über 13 Tonnen pro Kopf auf deutlich unter 9 Tonnen gesenkt werden. Ein wesentlich kleinerer Teil wurde durch Einsparungen im Sonstigen Konsum erzielt.

Abb. 4:

Auf den vierten Platz hat es ein weiterer 2-Personenhaushalt geschafft (Abb. 4), der ebenfalls mit einer recht hohen Ausgangsbilanz gestartet ist (Abb. 4). Mit Einsparungen von fast 5 Tonnen, die vor allem im Handlungsfeld Mobilität erreicht werden konnten, hat es dieser Haushalt deutlich unter den bundesdeutschen Durchschnitt geschafft. Ein Langstreckenflug im Vorjahr hatte die Bilanz kräftig nach oben gedrückt. Immerhin drei Kurzstreckenflüge haben auch hier noch einen gewissen Einfluss auf die ansonsten klimafreundliche Bilanz dieses Haushaltes.

Abb. 5:

Der fünfte Platz ist sehr interessant, weil dieser 1-Personenhaushalt mit einem relativ geringen Ausgangswert ins Rennen gegangen ist (Abb. 5). Mit einem Wert unter dem deutschen Durchschnitt konnten durch KliB über 4 Tonnen eingespart werden. Insbesondere der Sonstige Konsum fällt hier mit gut 2 Tonnen ins Gewicht. Zudem wurden Einsparungen in der Mobilität erzielt, gefolgt von der Ernährung und dem Heizen. Keine Reduktionen gab es beim Stromverbrauch.

Insgesamt lässt sich sagen, dass bei den Haushalten mit den höchsten Reduktionswerten Einsparungen vor allem in der Mobilität erreicht wurden, dicht gefolgt vom Sonstigen Konsum. Alle Haushalte in dieser Rangliste sind mit einem relativ hohen Ausgangswert ins Rennen gegangen, konnten aber alle – wenn auch meist knapp – den bundesdeutschen Durchschnitt unterbieten. Alle fünf hier dargestellten Haushalte haben zudem Reduktionen erzielt, die nahezu über 35 Prozent liegen. Ob sie die 40 Prozentmarke bis zum Ende des Jahres schaffen, bleibt noch zu hoffen.

Diese Auswertung deutet darauf hin, dass es noch andere ‚Gewinner‘ im Reallabor geben wird. Vor allem jene Haushalte, die bereits mit einer sehr geringen Bilanz gestartet sind und die es daher teilweise deutlich schwerer hatten, erkennbare Einsparungen zu machen, das aber teilweise dennoch geschafft haben. In den nächsten Wochen möchten wir weitere Perspektiven auf die Zahlen im Labor werfen, um damit zu einem besseren Verständnis zu den Erfolgen individuellen Handelns mit Blick auf den Klimaschutz beizutragen.

„PUR+“ sucht „KliB“ Familie!

KliB Familie für Fernsehdreh gesucht!

Wie sparen Sie CO2 im Alltag ein? Was klappt gut? Was ist schwierig?

Das Wissensmagazin für Kinder und Jugendliche in ZDF und KiKA möchte darüber gerne einen Beitrag machen. In dem Haushalt sollte mindestens ein Kind im Alter zwischen 10 und 15 Jahren leben, das Lust auf den Dreh hat. Wenn es mehr Kinder sind – umso besser. Sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen sollen in dem Bericht vorkommen. Wir möchten darstellen, welche Erfahrungen Sie als Familie gemacht haben.

Gedreht werden soll an ein bis zwei Tagen Anfang Dezember. Wir brauchen also möglichst schnelle Rückmeldung, damit wir den Dreh planen können.

Der Film ist Teil einer “PUR+” Sendung zum Thema Klimawandel, die im Februar 2019 in ZDF und KiKA ausgestrahlt wird.

Über schnelles Feedback würden wir uns sehr freuen!

Herzliche Grüße Carina Schulz und Eric Mayer

 

“KliB: Zwischen Experiment und Klimapolitik” – KLIB-Haushalte melden sich zu Wort

In diesem neuen Format wollen wir in den verbleibenden Monaten des Reallabors Haushalte mit ihren Erfahrungen, Anregungen etc. zu Wort kommen lassen.[1] Heute schreibt Martin über seine persönliche Auswertung des KliB Reallabors, über individuelle Einsparung und wirkungsvolle Klimapolitik.

Zwischen Experiment und Klimapolitik

In unserem Projekt wird in erster Linie untersucht, inwieweit man seinen aktuellen CO2-Fußabdruck innerhalb eines Jahres um 40 Prozent oder mehr reduzieren kann. Das Zwischenergebnis dieses Reallabors kann man der Ballongrafik entnehmen.

Ich möchte in diesem Beitrag nun einmal betrachten, was das für die Absolutzahlen des CO2-Ausstoßes bedeutet, der in Deutschland pro Person bekanntlich im Durchschnitt 11 Tonnen beträgt (im Ballondiagramm angedeutet durch die waagerechte gestrichelte Linie). Das politische erklärte Ziel ist es, diesen Ausstoß in der EU bis 2030 um 40 % zu senken, also auf 60 % von 11 t: (Entspricht 6,6 t pro Person). Wir in Deutschland sind gerade auf dem Weg, dieses Ziel zu verfehlen (Zwischenziel 20 % Einsparung bis 2020).

Mit Stand vom 18.10.2018 erreichen in unserem Experiment 84 von 142 Haushalte einen (für 2018 prognostizierten) CO2-Fußabdruck von 6,6 t oder weniger, das sind 60 % der Teilnehmer. Das ist eine sehr anerkennenswerte Leistung. Mein Haushalt gehört nicht zu dieser Gruppe, wir verharren eher im Bereich des Durchschnitts-Fußabdruckes.

Auf der linken Seite nähert sich die Ballonkurve asymptotisch einem Wert von ca. 3,2 t an. Ohne einer abschließenden Auswertung des Projektes vorgreifen zu wollen, lässt diese Tatsache vermuten, dass hier der geringste individuell möglichen CO2 Emisionswert unter den gegebenen Randbedingungen erreicht wird (mit immerhin nur 30 % von 11 t).

Was will ich damit sagen? Es gibt relativ viele Teilnehmer, die ihren schon ziemlich geringen Fußabdruck weiter verringern möchten, nach ergänzenden Einsparmöglichkeiten suchen und diese (z. B. im Forum) diskutieren. Bei bereits geringem Verbrauch ist jedoch das Einsparpotenzial logischerweise gering.

Betrachtet man nun unsere Teilnehmer als ein (ziemlich grobes) Modell für die Gesamtbevölkerung, wäre es umso wichtiger, die „Normalverbraucher“ dazu zu bringen, sich zu fragen und ggf. im Forum zu diskutieren, was sie denn noch zum Gesamterfolg beitragen können. Denn dort, wo viel verbraucht wird, ist das Einsparpotenzial größer und der Effekt der Einsparung für das Gesamtergebnis umso deutlicher. Um ein gutes Gesamtergebnis zu erreichen, kommt es besonders auf die Normal- und Vielverbraucher an.

Ich vermute, dass jenseits der Teilnehmerzahl 84 (also im Bereich „Einsparung weniger als 40 %“) die Mobilität und hier besonders das Fliegen eine wesentliche Rolle spielt. Es wäre interessant, diesen Wert in der Sparte „Mobilität“ getrennt auszuweisen, um ihn besser diskutieren zu können. Das Flugverhalten ist ein komplexes Thema und es wäre interessant, sich darüber auszutauschen. Ich kenne niemanden, der ein kurzfristiges Konzept gegen die Zunahme des Flugverkehrs, geschweige denn für dessen Senkung vorschlagen kann. Nur eine These möchte ich hier schon wagen: Die in Deutschland verkaufte Gesamtzahl von Flugtickets lässt sich wahrscheinlich nicht dadurch senken, dass eine relativ kleine Zahl von Haushalten generell aus umweltpolitischen Gründen auf das Fliegen verzichtet. Oder umgekehrt gefragt: Wie groß müsste die Zahl dieser Haushalte sein, damit die Flugzahlen wirklich zurückgehen?

Das gilt eventuell auch für andere Bereiche. Die Reduzierung des CO2-Fußabdruckes durch Verzicht ist ein wichtiger Teil der Strategie, wird aber allein wahrscheinlich nicht ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen. Das führt nun direkt zu den politischen Randbedingungen (Wirtschaft und Steuern).

Es sollte eine Doppelstrategie geben, bestehend aus a) dem individuellen Verhalten und b) aus dem Einsatz für wirksame politische Rahmenbedingungen. In der Marktwirtschaft wirken die Preise und dazu zitiere ich hier wieder E. U. von Weizsäcker mit der Forderung, dass die Preise die ökologische Wahrheit widerspiegeln müssen. Die Preise sollten die Ressourceneffizienz fördern. Und für die Forschung und Entwicklung müssen die entsprechenden wirtschaftlichen Anreize geschaffen werden. Ein erfolgreiches Beispiel dafür ist die Wiedereinspeisevergütung im Rahmen des EEG-Gesetzes, die den Entwicklern von effektiven Windkraftanlagen speziell in der Anfangsphase unmittelbare Gewinne ermöglicht hat.

Hier kurz vier (zum Teil locker formulierte) Anregungen für politische Forderungen, die etwas mit dem CO2-Fußabdruck zu tun haben:

  1. Förderung von Zugreisen und des öffentlichen Nahverkehrs (Netzausbau und Senkung der Fahrpreise). Die zusätzlichen dafür benötigten Mittel dafür könnte man aus einer (dringend notwendigen) Besteuerung des Flugbenzins generieren.
  2. Abschaffung der widersinnigen Tatsache, dass Schweinefleisch quasi das billigste Nahrungsmittel ist. Mit der Durchsetzung der bereits geltenden Tierschutzgesetze könnte das in der Massentierhaltung evtl. schon realisiert werden. Gewünschte Folge: Verdopplung der Preise, also Halbierung der Fleischmenge bei gleichem finanziellen Aufwand.
    Es könnte zusätzlich eine Win-Win-Win Situation entstehen:
    – Besserer Gesundheitszustand.
    Weniger Weizen und Mais in Monokultur werden benötigt:
    – Weniger Nitrat im Grundwasser.
    – Platz für Wiederaufforstung von Wäldern (als temporärer Kohlenstoffspeicher).
  3. Suche nach kreativen Lösungen dafür, dass es sich wirtschaftlich lohnt, Obst und Gemüse in großen Mengen in der Nähe von Ballungszentren anzubauen. Geht das evtl. mit lokalen Währungen, dazu gab es mal einen alternativen Nobelpreis?
    – Weniger Massentransporte (mit Lastwagen) aus Südeuropa.
  4. Arbeitszeitverkürzung: Ummünzen der gesteigerten Arbeitseffizienz in mehr Zeit, nicht in mehr Waren (z. B. auch um klimafreundlicher mobil zu sein). Diese Forderung ist derzeit nicht mehr aktuell, warum eigentlich?

Durch solche wirtschaftspolitischen Anreize und die entsprechende Aufklärung soll erreicht werden, dass sich schnell eine Vielzahl von Menschen (80 bis 90?) – und zwar insbesondere diejenigen mit einem großen CO2-Fußabdruck – daran beteiligen, diesen signifikant zu verringern. Aus Überzeugung und weil es sich wirtschaftlich lohnt. Preissignale sind wirkungsvoller als der Appell an die Vernunft.

Viele Grüße, Martin

 

[1] Hast Du/ Haben Sie ebenfalls ein Thema, das auch für andere Haushalte interessant ist? Und Du/ Sie möchten dazu gerne einen Newsletter-Beitrag verfassen? Dann würden wir uns über eine Nachricht an klib@pik-potsdam.de mit dem Stichwort “NL-Beitrag” freuen.