“Erfahrungen – Realitäten – Visionen” – KLIB-Haushalte melden sich zu Wort

In diesem Format wollen wir in der restlichen Zeit des Reallabors Haushalte mit ihren Erfahrungen, Anregungen etc. zu Wort kommen lassen.[1] Heute berichtet Mechtild Lutze (Nickname im Projekt: Lume) über ihr Jahr im KliB-Projekt.

“Erfahrungen – Realitäten – Visionen”

Lohnt es sich für mich überhaupt bei „Klimaneutral Leben in Berlin“ (KliB) mitzumachen, hatte ich vor einem Jahr überlegt. Wo könnte ich noch CO2 einsparen? Strom- und Gasverbrauch waren immer schon sehr gering, bei der Ernährung sah ich kein wirkliches Potenzial, auch wenn ich mich nur hin und wieder vegan ernähre, ansonsten Milchprodukte in geringem Maße verzehre.
Mobilität: In Berlin fahre ich fast ausschließlich Fahrrad, ein Auto besitze ich nicht, für weitere Strecken nehme ich den Zug – bleiben nur die Flugreisen, ab und an, nicht in jedem Jahr. Die unbekannte Größe war der Sonstige Konsum. Wie würde das gemessen werden? Da ich mich als sparsame und bewusste Konsumentin einstufe, sollte das auch nicht zu sehr ins Gewicht fallen, so seinerzeit meine Gedanken.
Tendenziell lief es mit meinem CO2-Fußabdruck so, wie ich es mir vor einem Jahr vorgestellt hatte. Eigentlich lief es sogar besser, aber das vor dem Hintergrund, dass ich aufgrund eines Verkehrsunfalles Ende Mai in meiner Mobilität so beeinträchtigt war (leider ist der Fuß immer noch nicht ganz in Ordnung), dass ich nicht nur die geplanten Urlaube canceln musste, sondern nicht mal geplante Wochenend-Bahnfahrten in Deutschland antreten konnte. Summa summarum ist meine Mobilitätsbilanz besser als im Jahr 2017.

Nehme ich den Sonstigen Konsum noch ein wenig unter die Lupe, ist meine vordergründige Frage, warum es überhaupt die Geldwertstufen 35,-/ 70,- etc. gibt und die Endstufe bei mehr als 210,- Euro liegt. Eventuell habe ich da was übersehen Richtung Begründung. Warum wurde nicht festgelegt, dass der Betrag gewählt wird, den sie/er tatsächlich ausgegeben hat? Technisch dürfte das doch kein Problem sein, wenn hinter einer Summe X sonstiger Konsum eine bestimmte Größe CO2 gelegt wird. Was sagt nun z. B. ein Wert von 200,- Euro wirklich über die Beschaffenheit eines Produktes aus? Warum soll in jedem Produkt in Höhe von 200,- Euro die gleiche Menge CO2 liegen? Und warum die Festlegung auf maximal „mehr als 210,- Euro“ und egal, wie hoch die ausgegebene Summe dann ist, der CO2-Ausstoß bleibt gleich. Das kann ich nicht nachvollziehen.
Ich möchte diesen Punkt hier nicht weiter vertiefen, denn bekanntlich wurde und wird über diese Tracking-Komponente viel diskutiert.

Zur Komponente Ernährung ist es mir wichtig, hier in meiner Bilanz zu dem Thema vegan versus vegetarisch noch ein paar Gedanken zu äußern. Schwierig finde ich, dass die vegane Ernährungsweise per se mit weniger CO2 Ausstoß ausgewiesen wird. Das Verhalten des Einzelnen dahinter bleibt letztlich verschwommen. Lässt sich das wirklich so exakt feststellen, dass ich als tendenziell vegetarisch lebender Mensch eine schlechtere CO2 Bilanz habe als ein vegan lebender Mensch. Meine tierischen Produkte begrenzen sich pro Woche auf ca. 1-2 l Kuhmilch (in der Pfandglasflasche aus der Region), 500 g Speisequark (direkt vom Erzeuger im Pfandglas), 50-100 g Butter (direkt vom Erzeuger, verpackt in Pergamentpapier), ca. 50 g Hartkäse oder Fetakäse (Kuh, Ziege, Schaf direkt vom Erzeuger, ohne Verpackung). Wie würde der CO2-Abdruck eines vegan lebenden Menschen ausschauen, der vegane Drinks, aus Dinkel, Mandel, Hafer etc. in der Verbundverpackung kauft, Pflanzenmargarine, die in der Herstellung aufwendig ist (das heißt ein hochverarbeitetes Produkt ist und zudem in Kunststoff-/Aluverpackung angeboten wird) und veganen Käse konsumiert, der ebenfalls ein hochveredeltes Produkt in Kunststoffverpackung ist, Sojadessert oder ähnliche Produkte in Kunststoffverpackung und weitere verarbeitete Produkte, wie Seitan oder Tofu verzehrt?
Ich würde mir hier wünschen, noch mehr Gewicht auf individuelles Konsumverhalten zu legen.

Als Letztes möchte ich in meiner Bilanz noch auf den Faktor Mobilität eingehen. Hierbei beschäftigt mich das Thema Fliegen/Flugreisen und Kreuzfahrtschiffe am meisten. Denn zur Nutzung des Autos versus öffentliche Verkehrsmittel und/oder Fahrrad wird deutlich mehr diskutiert als über Flugreisen und Kreuzfahrtschiffe, wobei Letztere in letzter Zeit etwas mehr in die öffentliche Kritik geraten sind. Deutlich zu wenig bis gar nicht wird über die Begrenzung des Flugverkehrs gesprochen. In meiner Wahrnehmung hat sich das Fliegen zum billigen Massenprodukt entwickelt und kaum jemand fordert eine deutliche Begrenzung. Im Gegenteil, statt über die Schließung von Flughäfen oder wenigstens über Verbote von Neubauten und Erweiterungen zu sprechen, hört man vorrangig, dass die Kapazitäten nicht ausreichen! Die (individuelle) Flugreise erscheint mir immer mehr als so etwas wie eine „heilige Kuh“. Na ja, ohne Auto, das geht schon irgendwie aber nicht mehr zu fliegen, nein, das können sich selbst klimabewusste Menschen, Klimaschützer*innen/Aktivist*innen oder fortschrittliche Politiker*innen offenbar nicht vorstellen. Mir ist nicht mal im Ansatz eine Diskussion bekannt, geschweige denn konkrete Forderungen, die auf deutliche Begrenzungen des Flugverkehrs zielen.

Wie soll das gehen – klimaneutral?
Diese Frage beschäftigt mich ernsthaft und dabei bin ich u. a. auf folgendes Zitat gestoßen:

„(…) Von 12 Tonnen CO2 auf unter 1 Tonne CO2 pro Person und Jahr. Das ist die Position des Umweltbundesamtes im Einklang mit der internationalen Staatengemeinschaft. Hierzu müssen wir noch viel tun. Insbesondere brauchen wir wirksame staatliche Rahmenbedingungen.“ (Quelle: Umweltbundesamt)

Eine Tonne pro Person pro Jahr – unvorstellbar!! Meine persönliche Prognose für 2018 liegt unter 5 Tonnen. Würden die öffentlichen Emissionen mit 0,73 t wegfallen, hätte ich immer noch 3 Tonnen zu viel. Betrachte ich meine Emissionen von 2,29 t beim sonstigen Konsum (Stand 11.11.2018) und würden diese wegfallen, hätte ich das Problem fast gelöst! In dieser Woche habe ich 140,- Euro für sonstigen Konsum angegeben, tendenziell lag ich zwischen 35,- und 70,- Euro pro Woche. In meiner Schätzung für 2017 lag ich bei 2,76 t. Der sonstige Konsum also wirklich ein Thema, siehe oben!

Klimaneutral Leben in Berlin – Hat das Projekt den falschen Namen gewählt oder müssen wir noch viel arbeiten an dieser Vision?!

Mechtild Lutze
(Lume)

 

[1] Hast Du/ Haben Sie ebenfalls ein Thema, das auch für andere Haushalte interessant ist? Und Du/ Sie möchten dazu gerne einen Newsletter-Beitrag verfassen? Dann würden wir uns über eine Nachricht an klib@pik-potsdam.de mit dem Stichwort “NL-Beitrag” freuen.
1 Antwort
  1. ChristophK
    ChristophK says:

    Hallo Mechthild, den Namen “KliB” nehme ich als langfristiges Ziel, und dann finde ich ihn gut. Es handelt sich um ein wissenschaftliches Projekt, und unsere (möglichst präzise ermittelten) Ergebnisse und Erfahrungen tragen dazu bei, ähnliche Tracker für die Zukunft realitätsnaher zu gestalten. Auf den Seminaren am 12. und 13. November wurde das ja diskutiert.
    Hier ist die Einbeziehung des “sonstigen Konsums” und der Investitionen besonders wichtig: Langlebige Produkte und wirtschaftliche Anreize zum Reparieren, statt früh wegzuwerfen (insbesondere Haushaltsgeräte und Elektronik). Die Werkstätten für eine Reparaturkultur sind allerdings bereits fast ausgestorben, das erfordert wieder neue Investitionen und wirtschaftliche Anreize dafür.
    Auch die Kleidung sollte man in zuküftigen Trackern als eigene Sparte berücksichtigen. Hier ist in vielen Berliner Bezirken die Infrastruktur zum Reparieren ja noch vorhanden !)
    Sehr informativ finde ich deine Ausführung zur Ernährung. Es geht immer um die Gesamtbilanz (samt Transportweg und Verpackung), nicht um Etiketten und quasi-religiöse Konzentration auf EINEN Weg.
    Viele Grüße, ChristophK

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