Vier fürs Klima – Wie alles begann…
Liebe Mitstreiter,
dass wir es genau wissen wollten, lag an keiner Klimakonferenz, auch nicht an den Fotos von Eisbären auf schmelzenden Schollen, sondern an unserer Tochter Franziska. Und an deren Schule.
Denn unsere damals zwölfjährige Tochter kam eines Tages von dort nach Hause, setzte sich – wie sie es oft tat – vor den Computer und guckte – weder Pferde- noch Musikvideo. Sie öffnete stattdessen eine andere Webseite: den Klimabilanzrechner der Umweltorganisation WWF. „Wir hatten im Ethik-Unterricht viel übers Klima gesprochen und sollten dann als Hausaufgabe unseren persönlichen Klima-Fußabdruck nachprüfen.“
Gemeinsam mit ihrem Vater füllte Franziska den Fragebogen aus – und das Ergebnis war ziemlich niederschmetternd: Unsere Familie war, so das Ergebnis in aller Kürze, durch unsere Art zu leben, für 42 Tonnen CO2 im Jahr verantwortlich. Das war zwar knapp besser als der deutsche Durchschnitt (11 Tonnen pro Person), aber immer noch viel zu viel. Denn es bedeutet, dass wir ganz persönlich, zur Klimakatastrophe beitragen. Dabei hatten wir uns für ziemlich umweltbewusst gehalten.
Franziska schockierte das Ergebnis. Ihr war bisher nicht klar gewesen, dass ihr ganz persönliches Verhalten eine so durchschlagende Wirkung auf die Umwelt haben kann. Der Vater, Günther, wusste es zwar, aber zwischen Wissen und Tun liegen oft Gräben – und zwar solche von der Größenordnung des Ärmelkanals.
Dann tröstete sich die beiden: Sie hatten den Klimarechner nicht so ganz ernst genommen, hatten viele Antworten über den Daumen gepeilt. Beispielsweise Kilometer, die die Familie mit dem Auto fährt. „Wir haben 13000 im Jahr geschrieben, ich glaube aber, dass es nur 12000 sind“, sagte Günther später. „Und bei der Hausgröße und dem Einkaufen haben wir, glaube ich auch zu viel angegeben.“ Was man so sagt, wenn man das Ergebnis ein bisschen peinlich findet.
Bizarrerweise beruhigte die beiden auch, dass die Ergebnisse bei Franziskas Freundinnen und Freunden in der Klasse häufig schlechter waren. Was fürs Weltklima übel ist, war für uns schön. So konnten wir unsere Hände in gefühlter Unschuld waschen: An uns lag es weniger, die anderen waren schlimmer, im Zweifel tragen sie mehr Schuld an der Klimakatastrophe. Da war die Familie fein raus, uff!
Dass das nicht ganz stimmte – klar wussten wir das.
Wir sind eine vierköpfige Familie: Petra, Günther, der 17jährige Jakob, die heute 14jährige Franziska. Oft essen wir abends gemeinsam und reden dann über den Tag, die Schule, das Leben. Mal mehr, mal weniger engagiert, je nach Thema. Durch Franziska stand plötzlich das Thema „familiäre Ökobilanz“ weit oben. So wie jetzt auch für viele von Ihnen.
Und so warfen wir uns beim Abendessen viel Halbwissen um die Ohren und dachten laut nach: Kann eine vierköpfige Familie in Deutschland so leben, dass es dem Klima nicht schadet? Was müssten wir, Petra, Günther, Jakob und Franziska dafür ändern? Jakob ist strikter Vegetarier. Isst er besser, rein klimatechnisch? Wie sieht es mit dem Urlaub aus: Sind die Alpen und Griechenland noch erlaubt?
Das Gespräch schwankte zwischen Ratlosigkeit, Relativieren, guten Vorsätzen, schlechtem Gewissen und Seufzen. Als die Teller in die Spülmaschine wanderte, waren wir bereit für die letzte Stufe: das Verdrängen. Plötzlich aber sagte Jakob: „Ich will es wissen. Was könnten wir tun, ohne dass es albern wird?“ Und damit stand die Idee im Raum: Wir versuchen uns als Klimaretter. Wir werden unser Leben ungeschminkt angucken, zwölf Monate lang prüfen: Wo wir nur scheinbar grün leben, aber in Wirklichkeit lächerliche Dinge tun. Was wir ändern können. Und welche Fallen es gibt.
Vorab: Wir sind erheblich klüger geworden. Wir haben einiges über uns gelernt, uns gegenseitig genervt, heftig gestritten und erstaunlich viel gelacht. Unser Optimismus ist gewachsen, wir haben Menschen getroffen, die voller Energie versuchen, die Welt ein bisschen zu verändern. Die uns geholfen haben, wenn die Sache zu kompliziert wurde, wenn wir uns zu verlieren drohten, zwischen all den Umweltprodukten, Webseiten, den tausend großen und kleine Verhaltenstipps und schon kurz davor waren, das Projekt aufzugeben. Wir lernten, dass es unterhalb der ganz großen Lösung auch sinnvolle kleine gibt, dass es nicht langt, nur von der Politik zu verlangen, sie solle sich bewegen, sondern dass man sich auch selbst ein Stück weit bewegen kann, aber auch, dass wir uns politisch stärker einmischen müssen.
Ach ja, das Ergebnis: Fast 31 Prozent Einsparung. 29 Tonnen CO2, 13 Tonnen weniger als im Vorjahr. Wie das möglich wurde, wo die Fallen lagen und was unser Erfolgsrezept war – dazu mehr im nächsten Blog.
Petra Pinzler und Günther Wessel sind Journalisten und leben in Berlin. Petra arbeitet in der Hauptstadtredaktion der ZEIT, Günther freiberuflich überwiegend für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Zusammen haben sie über ihre familiären Erfahrungen als CO2-Sparer das Buch „Vier fürs Klima“ veröffentlicht.
Sie werden in den nächsten Monaten hier immer wieder über ihre Erfahrungen berichten und freuen sich über Kritik, Anregungen und Ideen.
Vier fürs Klima. Wie unsere Familie versucht, CO2-neutral zu leben.
https://www.droemer-knaur.de/buch/9559442/vier-fuers-klima
Trackbacks & Pingbacks
[…] Sie und ihre vierköpfige, in Berlin lebende Familie haben es tatsächlich geschafft, ihren persönlichen Klima-Fußabdruck signifikant zu reduzieren. Lassen wir uns durch solche Initiativen doch nicht nur beeindrucken, sondern auch für das […]
[…] https://klimaneutral.berlin/vier-fuers-klima-wie-alles-begann/ […]
[…] Klima-„Selbstversuch“ bereits hinter sich und darüber in ihrem gerade erschienenen Buch „Vier fürs Klima“ berichtet. Sie betonten, wie wichtig ihre Kinder bei der Entscheidung dazu waren und dass nach […]
[…] a recent blog post on the project website, one of the families describes how they were inspired to join the project by […]
[…] a recent blog post on the project website, one of the families describes how they were inspired to join the project by […]
Hinterlassen Sie einen Kommentar
Wollen Sie an der Diskussion teilnehmen?Feel free to contribute!