Mehr Wertschätzung, weniger Müll – Interview mit Luise Zaluski

Weihnachtszeit ist die Zeit der Geschenke und damit auch des Ein- und Verpackens. Verpackungen begleiten uns jedoch das ganze Jahr. Und gerade in diesem Jahr war das Thema Verpackungen und Plastikmüll sehr präsent in den Medien. Plastikstrudel von unvorstellbaren Ausmaßen in den Weltmeeren und Mikroplastik, dass fast überall zu finden ist, die Problematik ist allgegenwertig. Auch politisch wird darauf nun reagiert, beispielsweise mit dem ganz aktuell beschlossenen Verbot von Einweg-Plastik in der EU ab 2021.
Jedoch ist die Problematik um Plastik- und Verpackungsmüll weit größer als lediglich der Teilbereich Einweg-Plastik.
Mit Luise Zaluski, die lange den Laden „Original Unverpackt“ maßgeblich mitgestaltet hat, sprachen wir über ihr neues Projekt, den Verein „Zero Waste“ und wie eine nachhaltige und müllfreie Welt aussehen könnte.

 

Luise Zaluski lebt in Berlin und gestaltete als Filialleiterin und Geschäftsentwicklerin die Strategie für den innovativen Laden „Original Unverpackt“ mit. Als Vorstandsmitglied von „Zero Waste“ kämpft sie für eine müllfreie Zukunft und in ihrem neusten Projekt „Klara Grün“ zeigt sie praktisch, wie die Reinigungsbranche nachhaltiger werden kann.

 

Sie haben in diesem Jahr „Klara Grün“, die öko-soziale Raumpflege gegründet – was war Ihre Motivation?

 

In Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind sich alle einig, dass wir endlich umweltverträglich wirtschaften müssen. Was das genau bedeutet, darin herrscht Uneinigkeit. Deswegen hält sich im Alltag kaum jemand daran. Wir sind zudem der Überzeugung, dass Nachhaltigkeit weitaus mehr als ein Trend ist, nämlich zwingend erforderlich für die “Enkelfähigkeit” unserer Erde.

Ich kam nach einer tollen Zeit bei „Original Unverpackt“ zu dem Punkt, die gewonnen Erfahrungen und  Erkenntnisse mit einer eigenen Unternehmung in die Tat umzusetzen und habe „Klara Grün“ gegründet.

“Klara Grün” ist ein öko-sozialer Raumpflegedienst. Ich habe mich damit einer Branche zugewandt, die nicht gerade für Nachhaltigkeit und saubere, transparente Geschäftspraktiken bekannt ist: Der Reinigungsbranche.

Zusammen mit meiner Partnerin verpflichten wir uns den drei Ebenen der Nachhaltigkeit: ökonomisch, ökologisch, sozial. Ziel ist es, dass das Unternehmen auf allen 3 Ebenen einen nachhaltigen Ansatz fährt.

Zum Beispiel ist unser Unternehmen ökonomisch nachhaltig, weil wir durch übertarifliche Bezahlung und Festanstellungen unserer Arbeitnehmer einen Weg für Menschen aus der illegalen Beschäftigung eröffnen. Wir erhöhen zudem die Teilhabechancen für Frauen* und arbeitsmarktferne Menschen auf dem Arbeitsmarkt und wirken Altersarmut, besonders im Niedriglohnsektor entgegen. Für unsere Kund*innen bedienen wir durch 100% ökologisch abbaubare und giftfreie Reinigungsmittel das wachsende Bedürfnis nach ökologischer Haushaltsführung. Unsere Kund*innen haben kein schlechtes Gewissen, eine Haushaltshilfe in Anspruch zu nehmen – sie wissen, sie tun sich selbst und der Gesellschaft etwas Gutes.

 

Sie sind auch im Verein „Zero Waste“ als Vorstandsmitglied tätig. Was müsste passieren für eine müllfreie Welt und wie sieht Ihre Vision für eine solche Zukunft aus?

 

Der „Zero Waste e.V.“ ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, die Müllvermeidung und Abfallreduzierung bundesweit voranzutreiben. Wir wenden uns damit an Privatpersonen, Unternehmen und Politik, um gemeinsam mit Bündnis-Partner*innen die Müllproblematik bekannt zu machen. Darauf aufbauen möchten wir zu nachhaltigen Veränderungen in allen Bereichen motiviere, sowie mittels Umweltbildung und Aktionen eine aktive Mitwirkung für eine müllfreie Welt zu befördern.

Bei Privatpersonen liegt uns besonders die Aufklärung und Befähigung hin zu einem müllfreieren Leben am Herzen. Beispielsweise Planen wir für 2019 Projekte an Schulen, werden viele Workshops geben und Vorträge halten. Jeden 2. Mittwoch im Monat treffen wir uns mit Interessierten Menschen zum Zero Waste Stammtisch und diskutieren über Lösungen und Herausforderungen für einen Zero Waste Lifestyle.

Politisch liegt für uns der Fokus darin erst einmal gehört zu werden, mitzudiskutieren und dann auch klare Forderungen zu stellen. Wir vernetzen uns dazu gerade mit vielen anderen Initiativen um die Kräfte zu bündeln und größere Pläne schmieden zu können – die es dringend braucht. Vor allem auch in Berlin.

 

Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat jüngst einen „5-Punkte-Plan“ mit Maßnahmen für weniger Kunststoff und mehr Recycling vorgestellt. Was halten Sie von diesem Plan?

Grundsätzlich ist es gut und wichtig, dass was passiert und die Themen mehr und mehr auf die politische Agenda kommen. Ich begrüße alle Maßnahmen die diskutiert und dann auch umgesetzt werden, die uns bei dem “kleinen” Thema Plastik und dem großen Thema Klimawandel voranbringen.

Aus meiner Sicht braucht es zielführende Interventionen von der Politik, da die Konsument*innen allein nicht die Kraft und Macht haben die Dinge zu verändern – die Verpackungsindustrie ist zu groß, als dass ein paar wenige Kaufentscheidungen ernsthaft etwas bewegen könnten.

Aktuell sind das wohl eher Regulierungen oder gar Verbote, die ein Umdenken der Industrie fördern, sowie Aufklärung der und Umdenken bei den Konsumentscheidungen der Konsument*innen.

Um beim Thema Plastik voranzukommen ist es zudem wichtig, dass wir alle 5R`s anpacken: 1. Reuse: Verzichten auf alles Unnötige und zu viel Verpackung.
2. Reduce: Reduzieren des eigenen Konsum und Verpackungen.
3. Reuse: Das Wiederverwenden und die Werterhaltung von Produkten.
4. Recycle: Ein gut funktionierendes Müllentsorgungssystem, und vor allem die Informationen was wie entsorgt werden muss.
5. Rot: Kompostieren des Rests der noch übrig bleibt, wenn alle vorherigen 4Rs umgesetzt wurden.

 

220,5 kg Verpackungsmüll werden in Deutschland pro Kopf und Jahr produziert. (Zum Vergleich: Der EU-Mittelwert liegt bei 167,3 kg). Damit belegt Deutschland einen traurigen Spitzenplatz in Europa. Welche Problematik steckt hinter dieser Zahl?

Das eigentliche Problem an Plastik ist nicht die Plastik selbst, sondern unsere Gemütlichkeitskultur, die über Jahrzehnte kultiviert wurde. Der viele Konsum, die vielen Einwegprodukte oder zumindest solche die nicht sehr lange halten bringen eine hohe Drehzahl für die Industrie. Wir Konsument*innen jedoch verlieren mehr und mehr die Relation zu dem Wert von Dingen, zu den Materialien, Ressourcen etc.

Gleichzeitig werden von der Industrie immer mehr Convenience Produkte, Außerhaus-Produkte, kleine Abpackungen und komplex verpackte Produkte produziert – man kann sich dem kaum entziehen.

Deshalb braucht es, wie bereits zuvor erwähnt, Maßnahmen und Veränderungen auf vielen Ebenen: ein Umdenken der Industrie, Regulationen und Weichenstellungen der Politik, Aufklärung und Verhaltensänderungen bei der Konsument*innen.

 

Noch eine weiterführende Frage: Haben Sie in den zurückliegenden Jahren Unterschiede zwischen Käufergruppen festgestellt, was das „Ob“ und „Wie“ umweltbewussten Handelns betrifft?

 

Ein nachhaltiger Lebensstil ist leider nach wie vor noch eine Frage der sozialen Schicht und des Bildungsniveaus. Besonders Menschen im unteren Einkommens- und Bildungsniveau haben es schwer, bzw. es wird ihnen schwer gemacht, nachhaltig zu leben.

Besonders auch durch die Medien wird uns vermittelt, dass nachhaltiges Leben teuer und ein Luxus ist. Hier fehlt eindeutig der Zugang zu den richtigen Informationen, aber auch die frühe Aufklärung z.B. in Schulen, wie wichtig ein nachhaltiges Leben ist und was genau damit gemeint ist.

Es lässt sich zudem beobachten dass Frauen deutlich aufgeschlossener gegenüber Nachhaltigkeitsthemen sind als Männer. Bei „Original Unverpackt“, unserem Verein und „Klara Grün“ wird das täglich bestätigt. Es gibt beispielsweise auch nur wenige männliche Blogger / Influencer in der Nachhaltigskeits-Szene. Das ist schade. Und es ist höchst problematisch, dass die großen Entscheidungsträger momentan vorwiegend männlich sind – vielleicht sind wir deshalb noch nicht so weit in den Klimaschutzfragen wie wir es sein müssten. Aber dieses Fass machen wir in einem anderen Interview auf…

 

Auf das Interview freuen wir uns schon. Als letzte Frage: Wie feiert Luise Zaluski Weihnachten?

 

Seitdem ich eine eigene Familie habe, hat Weihnachten natürlich wieder viel mehr Magie und diesen besonderen Zauber. Strahlende Kinderaugen beim Anblick des Weihnachtsbaums, Plätzchen backen, Lieder singen…

Unser Fokus liegt dabei auf der gemeinsamen Zeit und gutem Essen. Natürlich ist es schön etwas am Heiligen Abend auszupacken und sich daran zu erfreuen. Wir machen uns in der Familie aber nur wenige, kleine Geschenke, die für gemeinsame Aktivitäten oder die Winterzeit geeignet sind (Spiele, Bücher, Ausflüge etc.).

Für die Weihnachtsdeko zu Hause und die Geschenke nutze ich möglichst wiederverwendbare, natürliche Materialien. Unser Weihnachtsbaum ist beispielsweise nur mit Erbstücken aus Holz behangen. Für Geschenkverpackungen nutze ich oft altes Papier wieder oder verwende wiederverwendbare Verpackungen, wie z.B.: Kartons, Jutesäcke usw.

Vielen Dank für das Gespräch und wir wünschen Ihnen eine schöne Weihnachtszeit mit Ihrer Familie!

 

1 Antwort
  1. Lume
    Lume says:

    Durch das Interview mit Luise Zalusk bin ich auf den Verein “zero waste” aufmerksam geworden und werde Kontakt aufnehmen. Es freut mich sehr, da es der Zusammenhang zu sein scheint, in dem ich mich zu meinem intensivsten Thema während des Jahres Reallabor, nun weiter engagieren kann.
    Vielen Dank dafür und auch für die interessanten Newsletter im allgemeinen.
    Herzliche Grüße
    Mechtild Lutze

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