Stay grounded: Schwed*innen wollen aufs Fliegen verzichten

Stay grounded: Schwed*innen wollen aufs Fliegen verzichten.

Nicht aus Flugangst sondern aufgrund der Umweltfolgen verzichten immer mehr Schwed*innen aufs Fliegen und haben dafür auch gleich ein neues Wort erfunden: „Flygskam“, zu Deutsch „Flugscham“. Dass dies kein vereinzeltes Phänomen in Schweden ist, zeigt, dass diese neue Wortschöpfung als Wort des Jahres 2018 in Schweden gehandelt wird[1].

Gerade die Mobilität mit dem Flugzeug hat einen enormen Einfluss auf den individuellen CO2-Fußabdruck. Dabei sind diese Emissionen ein spezifisches Problem des globalen Nordens: Nur 3 Prozent der Weltbevölkerung sind im vergangenen Jahr geflogen und gleichzeitig beläuft sich der Anteil des Flugverkehrs an den globalen CO2-Emissionen auf 2 Prozent. Bezieht man Stickoxide und Wasserdampf in den hohen Luftschichten erhöht sich der Einfluss auf den Klimawandel auf 4,9 Prozent.[2] Bedenkt man dabei, dass der Transportsektor weltweit 14% der Emissionen ausmacht[3], dann sind 3 Prozent für 14 % der Emissionen im Sektor Transport verantwortlich. Für diesen überproportionalen Anteil ist ein kleiner Teil der Weltbevölkerung vornehmlich aus dem globalen Norden verantwortlich. Die historischen Emissionen liegen, wie auch in anderen Sektoren, vor allem im Bereich Luftverkehr in den Industriestaaten.

Unsere jüngsten Zwischenergebnisse zeigen, dass die KliB-Haushalte im Sektor Flugverkehr 130 Prozent über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegen. Da 37 Prozent der Haushalte bis jetzt ganz auf Flugreisen verzichtet haben, wird dieser hohe Durchschnittswert durch einige Haushalte mit besonders hohen Flugemissionen verursacht. Interessant ist dabei, dass dies der einzige Bereich ist, wo die Haushalte über dem Durschnitt der BRD liegen. Flugemissionen haben einen Anteil von 5 Prozent (580kg CO2) am Fußabdruck vom deutschen Durchschnitt. Aber auch hier gilt, dass nicht alle das Flugzeug als Verkehrsmittel benutzen.

Die Flugemissionen sind gerade die „Big-Points“ des persönlichen Fußabdrucks, da diese Emissionen sehr hoch zu Buche schlagen. Im direkten Vergleich dazu fällt das Einsparpotential im Ernährungsbereich beispielsweise durch das Umstellen auf eine Vegetarische oder Vegane Ernährung sehr viel geringer aus.
Generell ist es beim Thema Fliegen weniger attraktiv sich einzuschränken als in anderen Bereichen eine umweltfreundlichere Option zu wählen. Zu sehr ist die Reise mit dem Flugzeug an Zeitersparnis, Komfort und viele Erfahrungen geknüpft. Doch genau das will einer der prominentesten Vertreter von „Flygskam“ anders machen: Der schwedische Ex-Biathlet Björn Ferry will in der kommenden Wintersaison seine Tätigkeit als Moderator ohne die Nutzung des Flugzeugs schaffen. Dafür wird er mindestens 13.000 Kilometer mit der Bahn reisen statt zu fliegen. Das machte er zur Bedingung für seinen neuen Arbeitsvertrag.[4]

Fliegen ist in vielerlei Hinsicht höchst problematisch. Zum einen werden die Umweltkosten durch die günstigen Ticketpreise nicht abgebildet. Statt den Flugverkehr zu subventionieren könnte eine CO2-Steuer dabei helfen den wahren Preis abzubilden. Denn der Effekt auf den Klimawandel ist enorm. Die Emissionen für eine Reise von Berlin nach Köln und zurück sind beim Fliegen mit 273 kg CO2 zehnmal so hoch als bei einer Reise mit dem ICE[5]. Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag des Berliner Professors Andreas Knie interessant. Er macht den Vorschlag Inlandsflüge zu verbieten und Langstreckenflüge zu limitieren. Investitionen in das Schienennetz würden sich dadurch noch mehr rentieren und das Fliegen würde wieder etwas Besonderes werden[6].
Zum anderen ist vor dem Hintergrund der Frage nach Klimagerechtigkeit das Flugzeug als Verkehrsmittel ein großes Problem. Die Imperiale Lebensweise des globalen Nordens wird durch das Fliegen nur noch mehr zementiert. Zum Erreichen von Klimazielen wird beispielsweise vom IPCC die noch verbleibende Menge an CO2 berechnet, das sogenannte „Carbon Budget“, daher die Menge an Treibhausgasemissionen, die insgesamt noch ausgestoßen werden dürften. Wenn ein kleiner Teil durch seine Lebensweise überproportional viel emittiert, so geht das wenn überhaupt nur deshalb, weil ein Großteil einen sehr geringen Fußabdruck hat. Aufs Fliegen übertragen wird diese Ungleichheit besonders deutlich. Ein solch emissionsintensives Reisen ist nur deshalb möglich, weil 82% der Weltbevölkerung noch nie geflogen sind. Ökologisch gesehen ist es ein Reisen auf Kosten anderer und deshalb symptomatisch für eine Lebensweise, die sich den ökologischen (und sozialen) Ressourcen andernorts bedient, um einen eigene emissionsstarke Lebensweise zu sichern. Ulrich Brand und Markus Wissen beschreiben diesen Habitus der Externalisierung als Imperiale Lebensweise[7].

Die schwedische Bahn Statens Järnvägar (SJ) profitiert übrigens seit 2 Jahren von einer gestiegenen Nachfrage, insbesondere bei ihrem Angebot von Nachtzügen. Aufgrund dessen will sie ihr Angebot im Dezember ausweiten, das dürfte alle Reisenden in Schweden freuen und die Menschen, die sich zum Wort „Flugskam“ bekennen im Besonderen[8].

Seraja Bock (KliB-Team)

 

[1] http://www.taz.de/Schweden-meiden-Fluege/!5549744/

[2] https://www.bund.net/mobilitaet/infrastruktur/luftverkehr/co2-emissionen/

[3] https://de.statista.com/infografik/2140/anteil-der-wirtschaftsbereiche-an-den-menschlich-bedingten-treibhausgas-emissionen/

[4] https://www.svt.se/sport/skidskytte/svt-experten-bjorn-ferry-aker-tag-till-varldscuptavlingarna-i-europa?fbclid=IwAR297q-WCkSeuzRteBQQuuIBA_GdojGDy3AW9ncrhVH_Xgr3eFrMuVs7_dg

[5] https://www.co2online.de/klima-schuetzen/mobilitaet/bahn-oder-flugzeug-der-vergleich/

[6] https://www.klimareporter.de/verkehr/ueber-den-wolken-ist-die-freiheit-wohl-grenzenlos

[7] Brand, U., Wissen, M.(2017): Imperiale Lebensweise. Oekom, München.

[8] https://www.jetzt.de/umwelt/schweden-wollen-der-umwelt-zuliebe-nicht-mehr-fliegen

3 Antworten
  1. ChristophK
    ChristophK says:

    Vielen Dank für diesen Beitrag. Dass eine solche massive Initiative gerade aus einem Flächenland wie Schweden kommt, ist besonders interessant. Unser Haushalt gehört bestimmt zu den „Vielfliegern“ im Rahmen des KliB-Projektes, deswegen macht er im doppelten Sinne betroffen. Die zitierten Zeitungsartikel sind sehr lesenswert, da sie auch auf einen wesentlichen Punkt hinweisen: Die öffentliche Subventionierung des Flugverkehrs (übrigens auch der Warentransporte im on-line-Handel) durch Nicht-Besteuerung des Flugbenzins.

    Der Beitrag belegt die schon anschaulich klare Vermutung: Das Fliegen erzeugt den wesentlichen Anteil der KliB-Haushalte mit großem CO2-Fußabdruck. Wie schon vorgeschlagen, sollte man deshalb im Ergebnis-Diagramm des wöchentlichen Trackings in dem Balken „Mobilität“ die Flugemission mit einer extra Farbe kennzeichnen. Auch für die Ballongrafik wäre das evtl. sinnvoll, um die Brisanz des Themas für alle Teilnehmer zu verdeutlichen.

    Die Flugbranche hat enorme Steigerungsraten, bis 2035 wird eine Verdopplung aus D erwartet (siehe auch Beitrag im Forum „Flugverkehr-immer noch mehr mehr: Wo ist die Bremse ?). Zur Reduzierung gibt es zunächst folgende Möglichkeiten: Den (stillen) Verzicht, den aktiven Boykott und die Besteuerung von Kerosin.

    Auf allen Ebenen sollte sich das ergänzen. Vor allen Dingen das schnelle politische Signal ist wichtig, dass es mit der Subventionierung des Fliegens nicht so weitergehen darf und wird. Fliegen muss teurer sein als existierende Landverbindungen. Denn wenn die ganzen (neuen) Flugzeuge erst einmal finanziert und produziert sind, haben sie eine Nutzungsdauer von ca. 30 Jahren und die Kredite müssen bedient werden.

    Jedoch auch diejenigen, die „abstinent“ leben, sollten erkennen, dass das allein nicht reicht, dass sich ohne politische Maßnahmen nichts Wesentliches ändern wird. Und jene, die meinen, eine Steuer allein wird es regeln können, unterschätzen die Zeitkonstanten. Also: Gibt es einen vorstellbaren schnelleren Weg über Kontingente, Verbote,…und was evtl. noch ?

    Interessant finde ich die Schlussfolgerung, die sich aus dem 3. Absatz des Beitrages ergibt: Offensichtlich ca. 2/3 der KliB Teilnehmer (100 % – 37 % = 63%) erzeugen die KliB -Flugtonnen und haben damit offensichtlich einen wesentlich größeren Anteil am CO2-Ausstoß als im deutschen Durchschnitt.
    Hier würden mich die genaueren Zahlen (und die Quellen) interessieren, das wird aus der kurzen Zusammenfassung nicht deutlich genug. Gibt es eine Studie, die zeigt, auf wie viele Haushalte sich in D das Fliegen verteilt ?
    Und noch eine Verständnisfrage: Die Aussage im 2. Absatz, dass sich die 14% Transportanteil wirklich auf das Fliegen beziehen, finde ich in [3] nicht bestätigt.

    Also, nochmals vielen Dank und beste Grüße
    ChristophK

  2. Seraja, KLIB-Team
    Seraja, KLIB-Team says:

    Kurze Erklärung zu den 14% im zweiten Absatz:
    Laut statista.com ist der Anteil der Treibhausgas-Emissionen im Transportbereich Weltweit 14%. Laut dem BUND sind die Treibhausgasemissionen fürs Fliegen (an den Gesamtemissionen) mindestens 2%. Rechnet man den Anteil nur auf den Verkehrssektor um, sind von den 14% wiederrum 14% nur die Flüge. Würde man die vom BUND empfohlenen 5% nehmen, dann wären es sogar 35%. In dem Beitrag wurde sich für die vorsichtig gerechnete Variante entschieden.

    Allerdings ist zugegeben die Aufteilung bei statistica.com nicht ganz auf die Sektoren beim Fußabdruck zu übertragen, da beispielsweise die 14% aus dem Transportsektor auch den Warentransport mit einschließen. Eine grobe Richtung weisen die Zahlen jedoch in jedem Fall auf.

  3. Lume
    Lume says:

    Hallo und danke für die Beiträge,
    für mich ist der Newsletter Beitrag von Seraja Bock auch sehr interessant. Den taz Artikel zur “schwedischebn Flugscham” kannte ich schon und die Schweden haben mich da sehr beeindruckt. Schade, dass ich keine öffentlich bekannte Person bin, habe ich beim Lesen gedacht, denn dann könnte ich auch entsprechend wirksam Nichtfliegen. Und schade, dass es keine vergleichbare Initiative hier in Deutschland gibt, an öffentlich bekannten Personen mangelt es ja nicht!!
    Anders als ChristophK denke ich schon, dass neben politischen Maßnahmen, jede*r Einzelne was tun kann und das Gewicht hat.
    Wir haben ja auch auf den workshops am 12. und 13.11. über die individuelle Verantwortung diskutiert. Aus meiner Sicht muss das Hand in Hand gehen mit Forderungen an die Politik und den eigenen Handlungen.
    Seit gestern schaut die Welt auf Kattowitz. Wie viele Klimagipfel braucht die Welt noch, um zu verstehen, dass uns die Zeit davon rennt.
    klimafreundliche Grüße
    Lume

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