“Eine Welt, die anders ist, als alles, was wir kennen”
Ähnlich den Dominosteinen könnten sich verschiedene “Kippelemente des Klimasystems” gegenseitig beeinflussen und das Gesicht unserer Welt signifikant verändern. Deshalb ist es wichtig, den Anstieg der Erderwärmung mindestens durch Einhaltung der Paris-Ziele zu stoppen.
Im Zusammenhang mit dem Klimawandel fällt in letzter Zeit immer öfter das Wort „Heißzeit“. Droht der Menschheit eine neue Epoche, die als „Heißzeit“ zu bezeichnen ist? Forschungsergebnisse des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) weisen in einer neuen Publikation, die auf mehreren Studien basiert, auf eine solche Gefahr hin: In dieser Welt könnte sich z.B. die globale Mitteltemperatur (GMT) langfristig um etwa vier bis fünf Grad Celsius erwärmen mit allen daraus resultierenden Konsequenzen und der Meeresspiegel könnte um zehn bis 60 Meter ansteigen.
Eine wichtige Rolle spielen dabei die sogenannten „Kippelemente“ (oder auch: „Kipppunkte“) im Klimasystem wie z.B. die auftauenden Permafrostböden in Russland, der Golfstrom oder der Regenwald des Amazonas. Sie werden auch als „Achillesfersen des Erdsystems“ bezeichnet, denn kleinste Einflüsse können dazu führen, dass bestimmte Zusammenhänge plötzlich anders funktionieren mit großen Folgen für das Klimasystem und oft ist diese Entwicklung dann nicht umkehrbar.
Abbildung: Geografische Einordnung der wichtigsten Kippelemente im Erdsystem mit Angabe der Klimazonen nach Köppen. Quelle: PIK, 2017.
Ein Beispiel für eine solche Gefahr ist die Umkehr des Golfstroms, dessen Fließgeschwindigkeit sich seit der Mitte des 20 Jhts. bereits um 15% verringert hat. Ein anderes Beispiel sind die russischen Permafrostböden: Mit dem Auftauen des dauerhaft gefrorenen Bodens werden sehr große Mengen von Treibhausgasen wie etwa Methan freigesetzt. Dies führt dazu, dass sich die Erderwärmung noch weiter beschleunigt, was wiederum auch zu einem noch schnelleren Auftauen der Böden führt etc.
Auch besteht beispielsweise die Gefahr, dass die Wellenbewegungen des Jetstreams in der Atmosphäre sich zunehmend langsamer voran bewegen bzw. quasi stationär werden. Dies könnte dazu führen, dass Wettersysteme länger anhalten – aus ein paar sonnigen Tagen kann eine Hitzewelle werden, anhaltender Regen kann zu Überschwemmungen führen. Insgesamt können Wetterextreme durch einen verlangsamten Jetstream häufiger werden.
In einer aktuellen Studie weisen WissenschaftlerInnen zudem auf die Möglichkeit eines gefährlichen Zusammenspiels mehrerer dieser Kippelemente hin. Nach Johan Rockström, dem neuen Co-Direktor des PIK und Mitautor der Studie, könnten sich die Kippelemente „wie eine Reihe von Dominosteinen verhalten… Wird einer von ihnen gekippt, schiebt dieses Element die Erde auf einen weiteren Kipppunkt zu.” Nach Hans Joachim Schellnhuber (dem ehemaligen PIK-Direktor) wären weitere Folgen möglich: “Werden dadurch empfindliche Elemente des Erdsystems gekippt, könnte sich die Erwärmung durch Rückkopplungseffekte selbst weiter verstärken. Das Ergebnis wäre eine Welt, die anders ist, als alles, was wir kennen”, so der Klimaforscher, der gleichzeitig fordert: “Die Forschung muss sich daran machen, dieses Risiko schnellstmöglich besser abzuschätzen.”
In der Tat: Die Wissenschaft kann heute noch nicht genau sagen, ab wann eine solche „Kaskade von Kipp-Elementen“ die Erde womöglich in eine Heißzeit bringt. Seit der Industrialisierung ist die GMT um etwa ein Grad angestiegen. Mit dem Pariser Abkommen soll sie auf maximal 1,5 – 2 Grad stabilisiert werden. Nach Auffassung der AutorInnen kann nun aber nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass die Erreichung des 2-Grad-Ziels die oben angerissenen Gefahren unmöglich macht. Wo genau dieser Schwellwert liege, ob es möglich ist, ihn exakt zu bestimmen, alles dies bleibt weiteren Forschungen überlassen.
Angesichts solcher Gefahren muss die gesellschaftliche Transformation eher noch engagierter vorangetrieben werden – Projekte wie KLIB leisten hierzu in jedem Fall einen Beitrag.
Weitere Informationen
PIK-Pressemitteilung vom 6.8.2018 unter: https://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/auf-dem-weg-in-die-heisszeit-planet-koennte-kritische-schwelle-ueberschreiten
Artikel: Will Steffen, Johan Rockström, Katherine Richardson, Timothy M. Lenton, Carl Folke, Diana Liverman, Colin P.Summerhayes, Anthony D. Barnosky, Sarah E. Cornell, Michel Crucifix, Jonathan F. Donges, Ingo Fetzer, Steven J. Lade, Marten Scheffer, Ricarda Winkelmann, Hans Joachim Schellnhuber (2018). Trajectories of the Earth System on the Anthropocene. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS). [DOI: 10.1073/pnas.1810141115]
Weblink: http://www.pnas.org/content/early/2018/07/31/1810141115